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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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begehrt war, die schlanke, hoch gewachsene Gestalt, die kühle, aber mysteriöse Ausstrahlung und schüttelte den Kopf, machte ihre Hoffnungen zunichte. Ein schönes, junges Gesicht sorgte für hohe Auflagen, auch wenn die Story dünn war. Wenn dann noch Sex und Gewalt im Spiel waren, wurde gleich doppelt so viel verkauft.
    »Wer ist dieser Jason MacDonald? Der Name kommt mir bekannt vor, und er weiß einiges über Sie.«
    »Er war Lokalreporter und hat vor drei Jahren über die Rowland-Sache geschrieben. Mit seiner Enthüllungsstory hat er einer Opernsängerin die Karriere versaut.«
    »Ach ja. Und jetzt schreibt er für die überregionale Presse.« Quinlans leise Hoffnung, dass MacDonald das Interesse an ihnen verlieren würde, löste sich in Luft auf. »Sie schieben für ein paar Wochen Innendienst.«
    »Ja, Sir.« Sie blickte erleichtert, und ihr Gesicht entspannte sich zu einem kleinen Lächeln, das aber bei seinen nächsten Worten verschwand.
    »Und ich werde über Ihre nächste Versetzung nachdenken müssen. Wenn Sie nach Bramshill und Ihrer Sergeant-Prüfung nicht einen Sonderantrag gestellt hätten, wieder zu uns zu kommen, wären Sie längst woanders. Sie können nicht ewig hier bleiben, nicht bei Ihren Möglichkeiten. Denken Sie darüber nach und nennen Sie mir Ihre Wünsche. Das wäre dann alles.«
     
    Nightingale schob Quinlans Vorschlag, den Prozess und die Presseberichterstattung so gut sie konnte beiseite, doch sie wurde tagelang von Journalisten verfolgt. Als ihnen keine Fragen mehr einfielen, gingen sie dazu über, bei ihr zu Hause anzurufen, ohne etwas aufs Band zu sprechen.
    Statt irgendwann aufzuhören, nahmen die Anrufe immer mehr zu. Nachts musste sie das Telefon ausstöpseln, um nicht dauernd von dem Geklingel aus dem Schlaf gerissen zu werden. Und dann fingen die E-Mails von Pandora an: »SINGVÖGELCHEN, LUST AUF EIN SPIEL?«
    Das war der einzige Wortlaut, aber mit SPIEL war eindeutig THE GAME gemeint, was ihre Angstgefühle steigerte. Ihre Therapeutin hatte sie vorgewarnt, dass sie sich verwundbar fühlen würde, das sei ganz normal, aber Nightingale hatte nichts davon hören wollen. Sie hatte sich eingeredet, dazu sei sie zu hart im Nehmen, schließlich war die Härte, die sich zugelegt hatte, inzwischen ein unerlässlicher Bestandteil ihres Umgangs mit den Belastungen, die sie jetzt tagtäglich erlebte. Sie würde sich doch von ein paar wahllosen Anrufen und E-Mails keine Angst einjagen lassen. Eine Woche lang fand sie sich damit ab und beschloss dann, ein paar Tage auszuspannen. Ein Wochenende bei ihrem Bruder war das kleinere von zwei Übeln geworden.
    Es war seltsam, auf die massive Eichentür ihres Elternhauses zuzugehen und zu wissen, dass ihr Vater sie nicht aufreißen würde, um seiner Tochter einen Kuss auf die Wange zu drücken. Sie war sonntags nie zu spät zum Mittagessen gekommen, aber irgendwie hatte er es immer geschafft, ihr das Gefühl zu geben.
    Eine alte Eisenkette hing an einem noch älteren Hebel, und sie zog daran, lauschte auf das Klingeln tief aus dem Innern des Hauses. Sekunden später öffnete ihre Schwägerin die Tür und begrüßte sie mit einem herzlichen Lächeln.
    »Di! Tschuldigung, Louise – irgendwann gewöhn ich mich schon dran. Wir hatten Angst, du wärst in letzter Minute zu einem Einsatz gerufen worden. Komm rein, Simon ist im Wintergarten.«
    Sie hatten die Einrichtung in der Diele nicht verändert, aber sie hatten endlich das düstere Bild mit dem von Hunden gehetzten Hirsch abgehängt. An dessen Stelle hing jetzt ein Spiegel mit vergoldetem Rahmen. Sie wandte die Augen von ihrem Spiegelbild ab und blickte ins Wohnzimmer, wo sie nur die alte Standuhr sehen konnte. Zu ihrem Erstaunen ging die Uhr falsch, ein weiteres Zeichen dafür, dass sich das Leben verändert hatte.
    »Hallo Schwesterherz.« Simon stand in der Tür zu dem großen Glasanbau, den ihre Mutter immer nur als »Orangerie« bezeichnet hatte. Sie waren gleich groß, aber er war über zwanzig Kilo schwerer. Er hatte die blassgrauen Augen ihrer Mutter geerbt, ganz anders als ihre. Ja, sie sahen sich beide so wenig ähnlich, dass Nightingale einmal von ihrer Mutter den Beweis verlangt hatte, dass sie Zwillinge waren. Ihre Mutter hatte ihr wortlos eine Geburtsurkunde vor die Nase gehalten, auf der stand, dass sie einen Jungen und ein Mädchen zur Welt gebracht hatte, Simon David und Diana. Zwei Tage später war Nightingale zum ersten Mal von zu Hause ausgerissen. Zwei Monate später steckten

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