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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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Mann, der hier das Sagen hatte. Smith war stolz darauf, ein gutes Gespür für die sexuellen Vorlieben anderer zu haben, das war einer der Gründe, warum er so ein erfolgreicher Verführer war. Die Augen des Mannes huschten von einem Kunden zum nächsten, wie die einer Eidechse, die auf Fliegen lauert, unablässige ruckartige Bewegungen voll innerer Anspannung. Als er merkte, dass Smith ihn anstarrte, lächelte er unmissverständlich.
    »Ich suche nach einer jungen Frau«, sagte Smith und tat so, als habe er die Enttäuschung nicht bemerkt, die kurz über das Gesicht seines Gegenübers gehuscht war. »Vielleicht haben Sie sie mal hier gesehen? Sie ist meine Schwester, und meine Eltern machen sich ziemliche Sorgen um sie.«
    Er zog einen alten Zeitungsausschnitt aus seinem Portemonnaie und lächelte den Mann mehr als nur freundlich an. Der andere setzte sich und streckte ihm die Hand entgegen.
    »Ich bin Frank.«
    Smith ergriff die Hand und drückte sie sacht.
    »Ich bin Danny, hast du sie gesehen?«
    Frank nahm das Bild und faltete es auseinander. Es war unübersehbar, dass er sie wieder erkannte.
    »Die war ein paar Mal hier. Versteht ihr euch gut?«
    »Im Gegenteil. Genau genommen ist sie meine Halbschwester, und ich wäre gar nicht hier, wenn meine Mum nicht so besorgt wäre. Wir haben uns nie gut verstanden. Sie hat sich Geld von mir geliehen und nie zurückgezahlt, so Sachen eben. Typisch Frau. Man kann ihnen einfach nicht trauen.«
    »Wem sagst du das. Deine Schwester ist ein Paradebeispiel: hochnäsig, arrogant – würdigt einen keines Blickes. Sie war übrigens heute Morgen hier.«
    »Hast du eine Ahnung, wo sie wohnt?« Er versuchte, ruhig zu klingen.
    »Nein. Hab nicht mit ihr geredet. Nimm’s mir nicht übel, aber sie ist nicht mein Typ.«
    Smith sah ihn an und lächelte.
    »Ehrlich? Die meisten Männer stehen auf sie.«
    »Ich bin eben eine Ausnahme, Danny.« Frank hielt seinen Blick zu lange fest, und sie lächelten sich an.
    »Das hör ich gern. Meinst du, sie wohnt hier im Ort?«
    »Frag mal im Pub nach. Vielleicht ist sie gesprächiger, wenn sie was getrunken hat. Hast du vor, hier auf sie zu warten? Sie kommt nicht jeden Tag her. Könnte sein, dass du ein Weilchen hier bleiben musst.«
    »Och, ich bin ein geduldiger Mensch. Ich geh dann mal, aber vielleicht schau ich später wieder rein, wenn du nichts dagegen hast?« Er spitzte die Lippen, und Frank lächelte.
    Der Pub war voller Touristen, die zu Mittag aßen, deshalb trat er rasch den Rückzug an. Er kaufte sich ein Sandwich und spazierte aus der Stadt heraus zu einem ruhigen Fleckchen oben auf den Klippen, wo er bis zum Abend etwas Schlaf nachholte. Um sechs Uhr wurde er von selbst wach. Auf dem Weg zurück in den Ort bewegten sich seine Beine mit gewohnter, alter Kraft, aber die Wunde am Hals tat wieder heftiger weh. Er holte eine Salbe und frisches Verbandszeug aus dem Rucksack und verschwand auf der Herrentoilette des Pubs, um sich die Wunden anzusehen. Wie er vermutet hatte, waren die langen, gezackten Schnitte entzündet und eiterten. Er bestrich sie mit der Salbe, drückte frischen Mull auf und klebte neue Pflaster darüber. Als er fast fertig war, kam jemand herein und musterte ihn befremdet, aber er achtete nicht darauf.
    Im Laufe des Tages hatte er sich allmählich daran gewöhnt, jemand zu sein, nach dem gefahndet wurde. Trotz seines Konterfeis in Millionen Zeitungen und im Fernsehen hatte ihn niemand erkannt, und er war noch immer ein freier Mann. Je mehr Stunden vergingen, desto zuversichtlicher wurde er. Falls nötig, würde er die Nacht bei Frank verbringen und darauf warten, dass die Frau wieder im Ort auftauchte. Dann würde er sie töten und das Land verlassen.
    Im Pub bestellte er sich ein Bier und eine Käseplatte. Er trank genüsslich und behielt die anderen Gäste im Auge, um zu sehen, ob sie sich besonders für ihn interessierten. Im Gegenteil, man ignorierte ihn, und er entspannte sich etwas, blieb an der Bar stehen, halb verdeckt durch einen Stützbalken aus Eichenholz. Es war fast sieben Uhr, und der abendliche Andrang setzte ein. Als der Mann hinter der Bar mal verschnaufen konnte und Zeit hatte, Gläser zu spülen, sah er zu Smith hoch, der vorsichtig seine Käseplatte mit Brot verspeiste.
    »Neu hier?«
    »Heute angekommen. Aber wahrscheinlich hätte ich mir die Reise sparen können.«
    »Wieso das?«
    »Ich suche jemanden. Eine Frau, die … Na ja, sagen wir, sie hat sich was von mir geliehen und unabsichtlich

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