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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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zu zählen, und als sie bei hundertdreiundfünfzig angekommen war, huschte draußen ein Lichtstrahl vorbei, drang grell durch den Spalt. Sie schloss instinktiv die Augen, und ein roter Streifen lag quer in ihrem Gesichtsfeld. Der Raum, in dem sie sich verbarg, war niedrig, nur halb so hoch wie sie. Sie erstarrte in der Hocke und wartete darauf, dass er wieder aus dem Schlafzimmer ging. Es war verrückt, dass er überhaupt hier nach ihr suchte. Er müsste eigentlich draußen sein. Die Tatsache, dass er das nicht war, machte ihr Angst, denn es bedeutete, dass sie nicht cleverer war als er. Das Licht verschwand, und sie begann wieder zu atmen. Bestimmt würde er bald aufgeben.
    Aber Nightingale konnte nicht wissen, wie durchtrieben Smith war. Es hatte einige Zeit gedauert, bis er überzeugt war, dass sie nicht durch eines der Fenster entwischt war, denn entweder ließen sie sich nicht öffnen, weil das Holz verzogen war, oder sie waren von innen verriegelt. Dann hatte er erneut alle Räume im Erdgeschoss abgesucht und anschließend alle Türen fest verschlossen. Sie musste noch im Haus sein. Selbst wenn sie es bis in die Küche geschafft hatte, während er noch mit dem Fuß in der Treppenstufe feststeckte, hätte die abgeschlossene Tür ihre Flucht verhindert.
    Trotz der ersten Enttäuschung begann er, Gefallen an diesem Katz-und-Maus-Spiel zu finden. Er hatte alles, was er brauchte, sie nichts, vielleicht nicht mal Kleidung. Er hatte sie nur ganz kurz gesehen, aber er erinnerte sich an vorbeihuschende lange Arme und nackte Beine. Oben auf dem Flur stand eine Kommode, die er vor die Treppe zerrte, damit Nightingale nicht hinter seinem Rücken nach unten laufen konnte. Falls sie es mit der Küchentreppe versuchte, würde sie feststellen, dass die Tür von der anderen Seite mit einem Stuhl festgeklemmt war. Allmählich kreiste er sie ein.
    Das obere Stockwerk des Hauses war verwirrend und größer als die Grundfläche des Erdgeschosses. Ihm wurde klar, dass offenbar manche Räume über die Außengebäude der Farm gebaut worden waren. Das machte die Sache komplizierter, aber er hatte ja die ganze Nacht Zeit, und er konnte sehr methodisch vorgehen, wenn es erforderlich war.
    Sie war nicht in ihr Schlafzimmer zurückgekehrt. Er hatte dort nachgesehen, dann mit einem Lächeln an ihrer Bettwäsche gerochen, ehe er die Tür abschloss. Sehr gründlich durchsuchte er jeden Raum, fand jedoch nichts. Er fing noch einmal von vorn an, und erst jetzt bemerkte er im älteren Teil des Hauses schwache Spuren im Staub. Er verfolgte sie ein paar Stufen hinunter und weiter zu einem kleinen Mansardenzimmer. Der Raum war leer, das Fenster mit gesprungener Scheibe fest geschlossen. Als er auf dem Flur hinter diesem Zimmer keine weiteren Fußspuren mehr fand, kehrte er in den Raum zurück, setzte sich auf den Boden und schaltete die Taschenlampe aus. In den Häusern seiner Opfer war er immer in Bestform, und sein Instinkt sagte ihm, dass sie ganz in der Nähe war. Sie würde es nicht schaffen, lange auszuharren, Frauen hatten nicht so viel Stehvermögen, und sobald sie sich bewegte, würde er es hören.
     
    Nightingale hatte kein Gespür mehr, wie lange sie schon in der pechschwarzen Dunkelheit des engen Raumes hockte. Irgendwann meinte sie, die Uhr schlagen zu hören, aber der Klang war so gedämpft, dass sie ihrer Sache nicht sicher war. War eine Stunde vergangen, zwei? Es musste doch schon länger her sein, dass sie wach geworden war und gehört hatte, wie er die Treppe heraufgeschlichen kam. Sie beschloss, bis fünfhundert zu zählen und sich dann aus ihrem Versteck zu wagen.
    Bei vierhundertzwanzig hörte sie eindeutig ein Geräusch im Zimmer. Sie presste ein Auge an den schmalen Spalt, konnte aber nichts sehen. Sie schob die Nase dicht heran und schnupperte lautlos. Es roch nach Staub und Gips, aber da war noch etwas anderes, ein unverkennbarer Hauch von fremdem Schweiß. Sie war weit vorgebeugt und hatte das Gesicht an die Wand gedrückt, als das Klopfen direkt neben ihrem Ohr anfing und sie sich auf die Knöchel beißen musste, um nicht aufzuschreien. Das Klopfen bewegte sich von ihr weg an der Wand entlang. Er war da, und er ahnte, wo ihr Versteck war. Sie hatte keine andere Wahl, sie musste weg. Sie würde von Balken zu Balken schleichen und die Öllampe, ihre einzige Waffe, zurücklassen müssen. Angstschlotternd schob sie sich nach vorn und betete, dass er die herausnehmbare Platte in der Wand hinter dem Bett nicht finden

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