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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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malen.«
    Er malte ein Bild – ein Boot auf einem Meer, mit einem Strand im Vordergrund. Auf dem Strand waren drei Figuren, eine große und zwei kleine. Sie hatten traurige Gesichter. Auf dem Boot war eine einzige Figur, die eine sorgfältig gemalte, übergroße Hand zum Abschied erhoben hatte. Sie hatte langes Haar und lächelte. Quer darüber schrieb Chris in seiner schönsten Schrift: »FÜR MUMMY, IN LIEBE CHRISTOPHER.« Auch Bess wollte etwas machen und holte ihre unvollendete Stickarbeit hervor: ein Gänseblümchen auf blauem Grund, es fehlte nur noch die gelbe Mitte und ein Blütenblatt. Als sie fertig war, stickte sie farblich hervorgehoben in eckigen Buchstaben: MUMMY + BESS.
    Fenwick lobte die Werke seiner Kinder, machte ihnen etwas zu essen und wartete darauf, dass der Sturm der Gefühle losbrach, aber der Abend verlief friedlich. Sie spielten zusammen Monopoly, und der Fernseher blieb aus. Sie kuschelten lange, und dann badeten die Kinder. Als sie fertig waren, sprachen sie für ihre Mummy ein Gebet und fragten, ob sie zusammen in einem Bett schlafen durften, was ihr Vater erlaubte. Chris schlief ein, die Arme um seinen neuen Panzer, Bess hatte die Arme um ihren Bruder gelegt.
    Um elf klingelte das Telefon. Um diese Zeit bedeutete das normalerweise Arbeit für ihn, doch da ihm Bess’ Worte noch in den Ohren klangen, nahm er den Hörer mit einem unguten Gefühl ab.
    »Fenwick.«
    »Hier spricht Doctor Mortimer, Mr Fenwick. Ich bin Assistenzarzt im St. Theresa’s. Der Zustand ihrer Frau hat sich verändert. Es wäre besser, Sie würden herkommen.«
    »Sofort?«
    »Ich denke, ja.«
    Er weckte Alice, deren Mitgefühl er nur schwer ertragen konnte.
    »Es wäre schön, wenn Sie in der Nähe der Kinder schlafen könnten. Bess hat manchmal Albträume, und ich will nicht, dass die beiden allein sind.« Er erzählte ihr nicht, woher die Albträume rührten.
    Alice drückte ihm den Arm. »Natürlich, das mache ich gern.« Er fuhr die vertraute Strecke durch heftigen Regen, es waren kaum Autos unterwegs, und in den Mulden der Straßen stand bereits das Wasser. Die Abschiedsgeschenke der Kinder lagen sicher in Plastiktüten eingepackt auf dem Rücksitz.
    Das Krankenhaus war spärlich beleuchtet, und ein netter Pförtner, dessen Gummisohlen auf dem Linoleum quietschten, führte ihn über düstere Korridore. Fenwicks Frau war in ein Einzelzimmer verlegt worden. Er sah sofort, dass die meisten Schläuche verschwunden waren, und setzte sich. Das Beatmungsgerät klickte und seufzte, und Fenwicks Atem passte sich dem langsamen Rhythmus an. Jemand hatte ihr das schöne Haar gekämmt, und es lag wie ein dunkler Glorienschein auf dem Kopfkissen. Ihre Hände lagen auf der Bettdecke über ihrem eingefallenen Bauch, hübsche Baumwollärmel verhüllten die schlimmsten Nadeleinstiche und blauen Flecke von langen Jahren intravenöser Versorgung.
    Irgendwann merkte er, dass ein junger Mann, vermutlich der Arzt, der ihn angerufen hatte, neben ihm stand.
    »Wie lange noch?«, fragte er.
    »Schwer zu sagen, aber nicht mehr sehr lange.« Sie sprachen vorsichtshalber im Flüsterton, für den Fall, dass die Frau, die vor ihnen lag, doch noch hören konnte, so unwahrscheinlich es auch war. Fenwick stand auf, und sie gingen hinaus auf den Korridor, um dort weiterzureden.
    »Ihre Leber hat versagt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.«
    »Wollen Sie das Beatmungsgerät abschalten?«
    »Die Entscheidung liegt nach wie vor bei Ihnen. Aber es besteht jetzt absolut keine Hoffnung mehr.«
    Er wartete, während Fenwick durch die offene Tür auf die ungerührt arbeitende Maschine blickte.
    »Ich brauche ein bisschen Zeit.«
    »Natürlich. Kann ich Ihnen etwas bringen? Einen Tee?«
    Fenwick lächelte schwach, Tee, das britische Allheilmittel.
    »Ja, das wäre nett.« Er hatte gelernt, dass es besser war, andere helfen zu lassen.
    Er öffnete die Plastiktüten – eine von einem Schuhgeschäft, die andere von einem Spielzeugladen – und nahm das Bild und die Stickarbeit heraus. Er lehnte die Geschenke seiner Kinder gegen das Fußende des Bettes, als ihm einfiel, dass er selbst gar nichts mitgebracht hatte. Der Tee kam, und man ließ ihn allein. Er nahm die bleiche Hand seiner Frau und hielt sie. Sie war warm und weich, die Nägel geschnitten und sauber, und er war dem unbekannten Menschen für diese Aufmerksamkeit dankbar.
    Er sah zu, wie Moniques Brust sich hob und senkte, wusste aber, dass das nichts bedeutete. Er trank von seinem Tee. Sobald

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