Crescendo
Beine dem Takt an, spürte, wie ihr mit jedem Schritt Energie entströmte, um sie dann mit jedem Atemzug wieder einzusaugen.
Manchmal erlebte sie diesen fast magischen, pulsierenden Lauf, der die Kilometer nur so fraß, ohne Seitenstechen oder Krämpfe, als könne sie mühelos einen Marathon schaffen. In der fünfzehnten Runde, nach fast ebenso vielen Kilometern, flog eine Ente flatternd und quakend vom Teich auf, und Nightingales Schwung war dahin. Plötzlich war ihr heiß, und sie war müde und durstig. Der Zauber war verflogen. Sie sah auf die Uhr und merkte entsetzt, dass sie sich verspäten wür-de. Nicht nur das, sie war verschwitzt, verdreckt und völlig zerzaust. Mit einem lauten Fluch machte sie kehrt und lief nach Hause.
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Er wartete im Auto vor dem Haus, als sie angejoggt kam.
»Chief Inspector.« Sie nickte ihm zu, war sich ihrer kurzen Hose und des schweißfleckigen ärmellosen Shirts unangenehm bewusst.
»Nightingale. Ist es ungünstig? Soll ich später wiederkommen?«
Seine Frage verwirrte sie, ebenso wie sein Ausdruck. Er wirkte angespannt. Sie vermutete, dass er wegen ihr die Arbeit an einem schwierigen Fall unterbrochen hatte, und fühlte sich schuldig.
»Nein, nein. Tut mir Leid. Ich war joggen und hab die Zeit vergessen. Kommen Sie rein.«
Sie ging voraus in die Eingangshalle, und sie warteten schweigend auf den kleinen Aufzug. Blut rauschte ihr laut in den Ohren. Sie atmete flach, um ihren eigenen Schweiß nicht zu riechen und sich vormachen zu können, dass er ihn auch nicht roch.
Die Wohnung kam ihr leer vor, zu sauber, um real zu sein.
»Rieche ich da frisch gemahlenen Kaffee?« Der Duft des wartenden Kaffeepulvers hing in der Luft. »Ich hätte gern eine Tasse. Wenn’s geht.«
Zum ersten Mal nahm sie einen Hauch Whisky in seinem Atem wahr.
»Ich springe rasch unter die Dusche, wenn es Ihnen nichts ausmacht zu warten.«
»Kein Problem, ich kann ja den Kaffee machen …«
»Nein! Ich meine, das müssen Sie nicht.«
»Bitte, ich mache einen tollen Kaffee. Ehrlich.«
Er lächelte, und sie gab nach. Sie deutete Richtung Küche und überließ ihn sich selbst.
Zehn Minuten später war sie wieder da, in Jeans und ei-169
nem kurzärmeligen Sweatshirt, die Haare noch handtuch-feucht. Er hatte eine Kanne Kaffee gemacht.
»Ich war mir nicht sicher, ob Sie auch welchen wollten, oder vielleicht lieber was Kaltes – Sie sahen vorhin erhitzt aus, nach dem Joggen, aber jetzt …« Er hielt inne und beschäftigte sich damit, den Deckel der Kaffeedose zu schließen.
Er schwieg, während sie den Kaffee einschenkte. Das war seine übliche Taktik, um sein Gegenüber zum Reden zu bringen, und normalerweise war sie neugierig, wie lange es dauerte. Heute jedoch wollte sie die Sache möglichst schnell hinter sich bringen. Sie hatte keinerlei Erwartung, dass das Gespräch irgendetwas Sinnvolles bringen würde, und schon gar nicht, dass sein Besuch einen persönlichen Grund hatte.
»Sie sind hier, um mit mir über meine Kündigung zu sprechen, Chief Inspector. Was haben Sie zu sagen?«
Ihre Direktheit schien ihn zu verblüffen, aber er fing sich rasch wieder.
»Ziehen Sie sie zurück, ganz einfach. Ich denke, Sie machen einen Fehler.«
»Wirklich? Ich denke das nicht. Es war keine einfache Entscheidung, und ich kann Ihnen versichern, dass ich lange und eingehend drüber nachgedacht habe.«
»Sie stehen seit Monaten unter enormem Druck, und das ist keine gute Voraussetzung, um schwer wiegende Entscheidungen zu treffen.«
»Was für Druck?« Ihre Stimme war ruhig, aber Nightingale spürte, dass seine Unterstellung sie wütend machte.
»Sie wissen, was ich meine – der Prozess, andere Fälle, Ih-re Gesundheit, diese Stalker-Geschichte, furchtbar … und Ihre Eltern. Eine gewaltige Last, die Sie allein tragen müssen.«
»Wer sollte sie denn sonst tragen? Sie haben gerade mein Leben beschrieben. Das kann kein anderer für mich leben.«
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»Nein, natürlich nicht, aber manchmal hilft es, mit anderen über seine Probleme zu sprechen.«
»Und Sie unterstellen, dass ich niemanden habe, mit dem ich darüber sprechen kann – ich finde das ziemlich herablassend.« Sie wandte sich ab und biss sich auf die Zunge, um ihre Wut zu bremsen.
»Ich unterstelle gar nichts. Hören Sie, ich fange noch mal von vorn an. Ich denke, Sie sollten Ihre Kündigung zurück-ziehen. Sie sind eine ausgezeichnete Polizistin und haben eine großartige Karriere vor sich. Sie sollten bleiben. Sie wären ein
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