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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: corley
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genug Lebenserfahrung verfügst, was in einigen Jahren der Fall sein wird, wirst Du Dir alles selbst zusammenreimen können.

    Nightingale schüttelte verwirrt den Kopf. Ihr Vater hatte ihr nie ein Geheimnis offenbart. Mit siebzehn war sie auf ein
    »Mädchenpensionat« geschickt worden, wie ihre Mutter es gern nannte, doch in Wirklichkeit war es ein Internat für schwierige Mädchen, die woanders keine Chance mehr gehabt hätten. Ihre Volljährigkeit hatte sie dort mit einer heimlichen Schlafsaalparty gefeiert.
    Statt sich ihrer Tante näher zu fühlen, hatten der Brief und sein sonderbarer Inhalt sie irgendwie abgestoßen. Um ihrem Unbehagen gegenzusteuern, wurde sie aktiv. Sie fing an, die Küche sauber zu machen, überprüfte, ob das Rauchabzugs-rohr frei war und zündete den Herd an. Drei Stunden später stand Nightingale erhitzt, schmutzig, aber glücklich mitten auf dem feuchten Steinboden und bewunderte mit einer Drehung um die eigene Achse ihr Werk. Etwas Farbe an die Wände, und es wäre wieder ein hübscher Raum.
    Nachdem sie einen halben Laib Brot und eine Flasche Orangensaft verputzt hatte, erkundete sie den Rest des Hauses. Das Wohnzimmer wurde von einem offenen Kamin be-205

    herrscht, in dem sie als Kind noch aufrecht hatte stehen können. Jetzt war sie dafür zu groß. Eines der Schlafzimmer oben im Haus war derart feucht, dass der Putz von den Wänden gefallen war, aber die anderen drei sahen gut aus. Auch das altmodische Badezimmer befand sich in einem besseren Zustand, als sie befürchtet hatte. Die Treppe ächzte unter ihrem Gewicht, als sie wieder nach unten in die Diele ging, und sie hielt sich am Geländer fest. Das war auch gut so, denn eine Eckstufe bog sich erschreckend weit durch.
    Die Sonne lockte sie nach draußen. Das Licht glitzerte auf den Überresten von Frühbeeten im Gemüsegarten, wo der Sommer den Winter in einer unbeobachteten Schlacht besiegt hatte. Dunst stieg von der wuchernden Vegetation innerhalb der Gartenmauern auf. Gleich daneben standen Obstbäume, und an der südlichen Mauer beugte sich eine Weinranke unter der Last ihrer Blüten.
    Ein dichter, niedergedrückter Strauch wippte hoch, als sie aus der Tür trat, und ein wunderbarer Duft, der an sonntägliche Mittagessen erinnerte, erfüllte die Luft. Im Kräutergarten kämpften sich lila Schnittlauchköpfe durch Majoran und blauen Salbei. Ein mächtiger Rosmarinbusch okkupierte ein halbes Beet, und die Minze war ihrem Terrakottagefängnis entflohen und strebte der Freiheit entgegen. Sobald sie im Haus fertig war, würde Nightingale sich um den Garten kümmern. Sie würde Salat anpflanzen, den Kräutergarten auf Vordermann bringen und danach den wilden Wein versorgen, überhaupt alles, was aussah, als könnte es liebevolle Pflege gebrauchen.
    Und neun Uhr machte sie Feierabend und wusch sich im Bach, wärmte sich dann am Herd auf und machte sich einen Rosmarinaufguss, ein natürliches Antiseptikum gegen ihre Kratzer und Hautrötungen. Sie aß belegte Brote, und als die 206

    Sonne unterging, rollte sie ihren Schlafsack auf dem Fußboden aus. Ihr Atem wurde schwer und langsam, und sie stellte sich vor, die klappernden Hufe der Ponys der Schmuggler zu hören, die Kisten mit Alkohol und Seide unten in den Höhlen der Klippen vor den Steuereintreibern versteckten.

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    TEIL ZWEI
    Das Schicksal schrieb ihr eine erschütternde Tragödie, und sie spielte sie in Strumpfhosen.
    Sir Max Beerbohm

    Sanftheit, Fügsamkeit und eine schoßhundhafte Zuneigung werden unentwegt als die
    Kardinaltugenden der Frau empfohlen … Sie wurde geschaffen, um dem Manne ein Spielzeug zu sein.
    Mary Wollstonecraft

    208

    Kapitel dreizehn
    Lucinda Hamilton hatte einen frustrierenden Tag hinter sich, denn es war ihr nicht gelungen, eine versnobte Illustrierte dazu zu bringen, über die Eröffnungsparty ihres Kunden zu berichten. Bei ihren Kontakten aus der Schulzeit und ihrem familiären Hintergrund war Lucinda davon ausgegangen, dass eine erfolgreiche Karriere in der PR-Branche für sie ein Kinderspiel würde. Sie hatte eine der neueren Agentu-ren mit ihren Referenzen überzeugen können, doch das Be-rufsleben erwies sich leider Gottes als deutlich härter, als sie gedacht hatte. Ihr erster Kunde hatte nach nur einer Woche verlangt, von jemand anderem betreut zu werden. Ihr zweiter hatte sie mit Lob überschüttet … bis ein spontanes Dinner mit einer von Lucindas Schulfreundinnen, inzwischen eine Gesellschaftskolumnistin, zu einem grässlichen

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