Crime Machine: Thriller (German Edition)
er neben drei seiner Kumpels steht, zu denen er über die Jahre den Kontakt verloren hat. Er lächelte, als sei er damals recht glücklich gewesen, aber ich hatte da so meine Zweifel, weil ich wusste, wann das Bild entstanden war, nämlich lange nachdem er seine Medaille bekommen hatte, die er in der Schublade aufbewahrte. Das war die South-Atlantic-Medaille, und die bekam man, wenn man mindestens dreißig Tage zwischen dem siebten und sechzigsten südlichen Breitengrad ununterbrochen im Dienst war, irgendwann zwischen dem zweiten April und dem vierzehnten Juni 1982. Mit anderen Worten, er hatte im Falkland-Krieg gekämpft. Ich weigere mich, Falkland-Krise zu sagen, denn dort wurden Menschen getötet, mein Bruder hat Freunde dort verloren, und deshalb war es ein Krieg.
Ich hatte die Medaille meines Bruders schon oft gesehen, sie schon als kleiner Junge ehrfürchtig in der Hand gehalten. Sogar heute noch kann ich mich erinnern, wie stolz ich war, weil ich wusste, dass mein Bruder einer Eliteeinheit angehörte, dem zweiten Bataillon des Fallschirmjäger-Regiments, das Goose Green eingenommen hatte. Das war seine Glanzstunde gewesen. Das Problem ist nur, dass der Rest seines Lebens absolut und gnadenlos scheiße war. Was man so an Ärger haben konnte, er hatte ihn gehabt; eine beschissene Ehe und eine noch schlimmere Scheidung, Zusammenstöße mit der Polizei, Prügeleien, Besäufnisse, Drogen auch eine Zeitlang, aber zum Glück ist es uns gelungen, ihn aus der Szene herauszuholen, bevor er richtig abgestürzt ist. Nach seinem Abschied von den Fallschirmjägern hat er ein bisschen gearbeitet, Gelegenheitsjobs, hauptsächlich harte körperliche Arbeit, aber selbst damit war nach einer Weile Schluss. Aus einem der zuverlässigsten Männer der gesamten britischen Armee war ein Typ geworden, dem niemand mehr zutraute, an zwei aufeinanderfolgenden Tagen pünktlich auf einer Baustelle zu erscheinen. Er spricht nicht über den Krieg, aber irgendetwas verdammt Schreckliches musste da mit ihm passiert sein, weil er nie mehr wieder der Alte wurde. Ich frage ihn nicht danach. Ich versuche nur, Ärger von ihm fernzuhalten.
Ich war sauer auf Danny, weil er einfach in einen von Bobbys Läden spaziert war und ein Mädchen begrapscht hatte, obwohl er’s doch eigentlich besser wissen sollte, auch wenn er sternhagelvoll war. Und sein Timing war tadellos. Solche Scherereien konnte ich zusätzlich zu dem ganzen Stress mit Bobby, Geordie Cartwright und der Übergabe brauchen wie eine Operation am offenen Gehirn. Aber er ist mein Bruder und immer noch ein verdammter Held, und das wird er auch bleiben. Nichts kann daran etwas ändern.
Die Nacht war lang. Ich überlegte, ob ich Laura anrufen sollte, aber um ehrlich zu sein, hatte ich in dem Moment keine Lust mehr auf ihr Gezeter. Sie würde inzwischen sowieso vor dem Fernseher eingeschlafen sein, ohne auch nur zu ahnen, dass ihr Freund so gut wie zum Tode verurteilt war.
5
A ls ich morgens aufwachte, kam Danny hereinspaziert, fand mich immer noch auf der Couch liegend und sagte: »Hey, Bruder«, und als würde ihm plötzlich alles wieder einfallen: »Tut mir leid. Ich war total hinüber.« Dann kratzte er sich am Sack und bot mir einen Tee an, den ich ablehnte, weil er immer noch keine Milch hatte, und Teebeutel übrigens auch nicht. Dann dachte er eine Weile nach und fragte: »Meinst du, ich sollte dem Mädchen ein paar Blumen schicken? Um mich zu entschuldigen?«
»Nein, Danny«, erklärte ich mit Nachdruck, »das meine ich nicht.«
Laura tickte ein bisschen aus, als ich sie morgens endlich anrief und sie mir die ausführliche Fassung des althergebrachten Wo-zum-Teufel-hast-du-gesteckt-Vortrags präsentierte, den Frauen ihren Männern halten, seit Moses zum ersten Mal Ausgang hatte.
Ich hatte ein leicht schlechtes Gewissen, weil ich sie als blöde Kuh tituliert hatte, nur weil sie vergessen hatte, bei der Buchung des Hotels auch meinen Namen anzugeben. Sie hatte den Ernst der Situation, in die sie mich gebracht hatte, eindeutig immer noch nicht erfasst, aber wie sollte sie auch?
»Hör zu, es tut mir leid, wirklich, aber es ist so spät geworden, dass es keinen Sinn mehr gehabt hätte, dich anzurufen oder eine SMS zu schicken. Ich hätte dich nur geweckt.«
»Mich geweckt? Meinst du, ich kann schlafen, wenn du nicht da bist? Ich war krank vor Sorge, David.«
Ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht zu fragen: »Warum, zum Teufel, hast du mich denn dann nicht angerufen?«
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