Crime
kalten weißen Steinchen taten empfindlich weh, wie Diabolos aus einem Luftgewehr. Du sprangst hastig in den Van, in dem Notman vor dem Bildschirm klebte. Das feindselige Unwetter trommelte auf das Dach des Fahrzeugs ein. Geht auch wieder vorbei, dachtest du, und das tat es auch, aber erst nachdem es noch weit heftiger geworden war. Du nipptest dankbar an deinem Kaffee und quatschtest dabei über die Hearts und den Hang zum Kontroversen, der ihren neuen osteuropäischen Besitzer auszeichnete. Unter Rix wurde die Mannschaft so starr und still wie die Friedhofsbäume, die ebenfalls in die Winterpause gingen.
Dann sahst du ihn auf dem Bildschirm. Den Mann im Parka. Derselbe Parka. Derselbe Mann. An Britneys Grab. Der Mann, der auch an Nulas Grab gestanden hatte, bis er gestört worden war. Die schlauchförmige Kapuze des Parkas und dazu der peitschende Hagel: würde das Mikrofon irgendwas aufzeichnen? Das war nicht wirklich wichtig, du ranntest schon zum Eingangstor und brülltest Notman zu, er solle zum Seiteneingang und ihm den Weg abschneiden.
Du hetztest den nassen Weg runter und wärst einmal beinah ausgerutscht. Der Mann hatte noch gar nicht mitbekommen, dass du dich von hinten nähertest. Du wurdestlangsamer, um dich so nah wie möglich an deine Beute anzuschleichen, bis du den gefrorenen Atem sahst, der aus der Kapuze kam.– Sir!, hast du gebrüllt und deine ID hervorgezogen.– Polizei!
Und Notman näherte sich aus der anderen Richtung. Ihr hattet ihn in der Zange. Du hast Gegenwehr, womöglich sogar verzweifelte, erwartet. Aber der Mann dachte nicht an Flucht. Er wandte sich einfach langsam um, als habe er auf diesen Augenblick gewartet.
Du wusstest, dass es Confectioner war. Die Augen hypnotisch und zugleich seltsam leblos. Kräftiges braunes Haar, leicht angegraut an den Schläfen. Klein und stämmig gebaut, als käme er aus einer Bauernfamilie, auch wenn er vermutlich im ganzen Leben noch nie eine Farm gesehen hatte.
Jetzt war auch Notman zur Stelle. Der Mann blickte von einem Cop zum anderen.– Da hatte ich doch einen ganz schönen Lauf, sagte er mit einem Achelzucken und einem Lächeln, als hätte man ihn beim Ladendiebstahl erwischt.
Diese flapsige Arroganz. Die abartige, abscheuliche Welt, in der er lebte, und wie er sie zu seiner Normalität gemacht hatte. Und die damit Hand in Hand gehende Ablehnung und Verachtung der menschlichen Gesellschaft im Allgemeinen, von der du eine volle Breitseite abbekommen würdest. Es machte dir Angst. Du fühltest dich dabei schwach und klein, obwohl du gerechten Zorn empfandest und den ganzen britischen Staat und seine Bevölkerung hinter dir wusstest. Und nun hatte Mr. Confectioner einen Namen.– Ich heiße Gareth Horsburgh, hat er fröhlich grinsend gesagt.– Nennen Sie mich Horsey.
Du bist zum Büro deines Vaters in Haymarket; du hattest den alten Herrn schon eine ganze Weile nicht gesehen. Du wolltest ihn auf ein Pint einladen. Das würde auch garantieren, dass du wirklich nur eins trankst; in seiner Gesellschaft hast du dich immer zusammengerissen. Du lächeltest Jasmine zu, der Verwaltungsassistentin, die für ihn arbeitete und dich nach hinten zu seinem kleinen Büro führte, wo dein Dad gerade den Telefonhörer niederlegte. Du hörtest seinen abgehackten Atem. Du hattest den Kopf so voll mit deinem eigenen Scheiß, dass du nicht sehen konntest, wie fertig dein Vater war. Emotional gab er nicht viel preis. Aber es gab körperliche Hinweise. Du hattest seit einiger Zeit beobachtet, wie die Haut um seine Augen sich spannte und rot wurde. Das Alter kochte ihn weich und schwächte ihn; die scharlachroten Flecken, wo die Wangenknochen sich unter der Haut abzeichneten, wurden größer und ausgeprägter.
Aber als dein Vater etwas sagte, warst du in Gedanken bei »Horsey«, dem geschiedenen Beamten im öffentlichen Dienst, der mit seiner invaliden Mutter in der Nähe von Aylesbury lebte. Schnell hatte sich bei Arbeitskollegen und Bekannten ein Konsens herausgeschält: Gareth Horsburgh war deprimierend durchschnittlich. Ein halbwegs netter Zeitgenosse, genug, um ihn zu grüßen, wenn auch in Gesellschaft ein wenig geschwollen und kleinkariert. Er hätte irgendein x-beliebiger Golfklublangweiler aus der Vorstadt sein können, einer von der Sorte, mit der man gerne mal ein Glas trinkt, sich dann aber rasch verabschiedet.
Du hattest das Gefühl, in einer Art massiver akustischer Halluzination zu stecken, die Altlast der schauerlichen Verhöre von Horsburgh
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