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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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fragt Lennox und bemüht sich, keinen Verhörton anzuschlagen.
    Tianna setzt sich auf, zieht die Knie an und umklammert ihre Schienbeine. Sie lässt ihre Haare ins Gesicht fallen. Nachdem sie einen Moment stumm geblieben ist, findet sie ihre Stimme wieder, die dünn und gequält klingt und zu einem jüngeren Kind zu gehören scheint.– Als ich Momma das erste Mal was über ihn erzählt hab, hat sie bloß angefangen zu weinen. Dann ist sie echt sauer auf mich geworden. Sie hat gesagt, ich lüge, und jetzt hört man ihre Wut heraus,– und ich wär ein böses Mädchen gewesen. Ich wär bloß eifersüchtig und wollte ihr ihr Glück vermiesen. Deswegen kann ich Momma nichts sagen. Sie liebt diese Männer, ich glaub, sie braucht es, von denen geliebt zu werden, und jetzt schleicht sich eine bizarre, beinahe lebhafte Autorität in ihren Tonfall ein.
    Von denen . Unbehagen kriecht unter Lennox’ Haut.
    – Wie war der so, dieser Vince? Lennox spürt, wie seine Stimme diesen körperlosen Charakter annimmt, als sei sie ein eigenständiges Wesen, das sich von der gemeinsamen physikalischen Quelle löst.
    Dieser Mechanismus hat ihm schon oft geholfen, Distanz zu halten, wenn der Job sich von der unerfreulichen Seite zeigte. Tianna macht es ähnlich:– Am Anfang war Vince richtig nett. Er und Momma haben sich am Computer kennengelernt. Er hat sie immer echt gut behandelt und mich am Anfang auch. Er hat mir gesagt, dass er meine Momma liebt. Dann hat er gesagt, dass ich ein ganz besonderes Mädchen wär und er mich auch liebt. Manchmal hat er mir Sachen gekauft oder ist mit mir ins Kino gegangen. Das musste unser Geheimnis bleiben, denn sonst hätte MommaKrach geschlagen und behauptet, er würde mich verziehen. Das waren die besten Tage, sagt sie und strahlt bei der Erinnerung tatsächlich auf.– Ich hab ihn Pappy genannt. Das mochte er, aber er hat mir eingeschärft, das niemals zu sagen, wenn Momma dabei war. Dann hat er eines Tages gesagt, dass er mich mehr liebt als sonst wen, sogar mehr als Momma. Er hat gesagt, er würde das vor ihr nicht so deutlich zeigen, um ihr nicht wehzutun. Manchmal, wenn wir zusammen irgendwo waren, in einem Diner zum Beispiel, und eine Kellnerin gefragt hat: »Ist das Ihre Kleine?«, hat er gelächelt, mich angesehen und gesagt: »Allerdings.« Das war ein tolles Gefühl, und ich hätte alles für Pappy Vince getan. Es sind dunkle Schatten unter ihren Augen, aber das kommt wahrscheinlich bloß von der Beleuchtung.
    Bitte sag’s nicht   …
    Lennox erträgt es nicht, Tianna zuzuhören. Dennoch kann er nicht protestieren, seine eigene Stimme verreckt irgendwo in seiner Luftröhre. Es ist wichtig, dass sie redet, und er will, dass sie aufhört. Er sitzt wie erstarrt in dem grünen Sessel, in einem Raum, der keinerlei Sauerstoffmoleküle zu enthalten scheint, und kann sie nur weiterreden lassen.
    Ferien   …
    – Dann hat er mit den heimlichen Spielen angefangen. Verstecken und Nachlaufen. Er hat angefangen, mir Küsse zu geben, andere als vorher. Nasse Küsse, die ganz lange dauerten, mit seiner dicken Zunge in meinem Mund. Das kam mir nicht richtig vor, und ich mochte ihn nicht, wenn er so anders wurde, ihr Gesicht verzieht sich angeekelt,– und auf einmal so ernst, so als wär er irgendwie in Trance. Gar nicht mehr wie Pappy Vince. Und ich konnte ihn nur zurückholen, wenn ich ihn anfasste– also so lange sein Jungsteil anfasste, bis was rauskam, sein böses Zeug, sagte er dazu. Danach war er wieder nett. Aber dann fing er an, noch andere Sachen zu machen   … so Mann-und-Frau-Sachen.
    Andere Sachen   …
    Hochzeit   …
    – Aber dann war Momma wohl unglücklich mit Pappy Vince und wollte wegziehen. Da sind wir dann nach Jacksonville gezogen, und sie hat Clemson kennengelernt, und dann hierhin, und wir haben Starry und Johnnie und Lance kennengelernt. Ihre Augen springen ihr fast aus dem Kopf vor Wut.– Ich hasse sie, Ray! Ich hasse sie alle!
    Lennox hat unbewegt zugehört, mit schwirrendem Kopf und revoltierendem Magen. Clemson. Er kann sie nicht fragen. Er findet seine Stimme wieder.– Du musst mir jetzt nicht noch mehr erzählen.
    – Ray?
    – Ja?
    – Kannst du mich mal drücken?, fragt sie, steht auf und kommt zu ihm herüber.
    – Natürlich, Prinzesschen. Lennox steht auf und schließt das Kind in die Arme. Möchte ihr sagen, er würde dafür sorgen, dass ihr niemand mehr wehtut, aber dann hält er lieber den Mund. Wie viele dieser Monster mögen ihr das schon gesagt

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