Crime
und sag, wo wir uns auf ein trautes Bierchen treffen sollen. Egal wo. Du sagst an. Ich werd da sein.
Es dauert etwas, seine Nachricht zu überprüfen, abzuschicken und zu posten. Als er dann auf Refresh klickt, meldet sich der Board-Administrator.
Okay, ihr beiden, es ist höchste Zeit, dem Ganzen hier ein Ende zu machen.
Lennox registriert plötzlich die Uhr in der Ecke des Bildschirms. Er ist spät dran. Panik erfasst ihn. Was, wenn–
Ich hätte sie nicht alleine lassen dürfen. Nicht bevor ich absolut sicher war. Aber Chet ist … Nein, Mr. Confectioner hatte ja auch völlig vertrauenerweckend gewirkt! Vielleicht sind sie schon unterwegs, sie gefesselt unter Deck, während er das Boot zu irgendeinem geheimen Perversentreff steuert. Sie wollte mitkommen, und ich Arschloch hab sie sitzen lassen!
Ray Lennox knallt dem konsternierten Ladenschwengel eine Zwanzig-Dollar-Note auf die Theke und stürzt aus dem Café.
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15
Fishing for Friends
Lennox gibt Gummi auf der Rückfahrt zum Hafen, rast in die Marina und parkt den VW so nah er kann an den vertäuten Schiffen. Er springt raus, rennt um die Ecke zu den Bürofronten der Makler, sein Herz hämmert, im Mund ein Geschmack von Metall. Britney … Tianna … ich hab’s wieder verkackt … das verfickte Boot …
Sie sehen alle gleich aus, diese irisierenden Symbole des Wohlstands: das opalartige Leuchten vor dem dunklen Wasser des Hafens, die glatte Sterilität. Dann nimmt er eine vertraute Gestalt wahr, und es platzt ein erleichtertes Schnaufen aus ihm heraus, während er stoppt und sich vornüberbeugt, die Hände auf die Knie gestemmt. Chet.
Es ist noch da. Das Boot. Chet kommt gerade aus dem Büro des Hafenmeisters. Tianna ist …
Sie steht drüben auf einer der Gangways und beobachtet einen großen Pelikan, der auf einem der Vertäupfähle hockt, die aus dem Wasser ragen.
Chet entdeckt den atemlosen Schotten als Erster.– Na los, Lennox, da sind Sie ja endlich. Wir haben schon gedacht, Sie hätten uns sitzen lassen!
Gerade als er sich über die augenfällige Erleichterung auf Tiannas Gesicht freut, fällt Lennox ein, dass er Trudi nicht angerufen hat. Der Anruf bei ihr war doch der eigentliche Grund seines Weggehens gewesen, geißelt er sich zerknirscht, während seine Atmung sich wieder normalisiert . Manchmal glaube ich, die Hearts sind dir wichtiger als ich,Ray. Sie war klug genug gewesen, das kein zweites Mal zu sagen, so wie er damals geantwortet hatte: Die Hibs sind mir wichtiger als du . Es war ein schäbiger, blöder Witz, der von Generation zu Generation weitergegeben wurde, aber dieser Humor erreichte sie nicht. Vielleicht hatte Chet ja ein Telefon an Bord oder ein Handy, das er sich leihen konnte.
Sie klettern an Bord, und es heißt Leinen los; diesmal assistiert Lennox Chet, der ihm erklärt, dass die Vögel, die platt gefahren auf den Straßen liegen, beziehungsweise jetzt über ihnen patrouillierten, Rabengeier sind. Ihr träges Kreisen und plötzliches, blitzartiges Herabstoßen ist von einer elegisch-majestätischen Schönheit. Chet bringt ein Band mit Krokodilklemmen an beiden Enden, mit dem er Lennox’ Red-Sox-Kappe an dessen T-Shirt-Kragen fixiert.– Alter Seemannstrick, erklärt er,– sonst wirst du auf See einige davon los.
Lennox nimmt das Angebot gerne an, während sie auf das Kanalsystem zusteuern, statt direkt durchs Hafenbecken Kurs auf die offene See zu nehmen.– Ist eine Abkürzung, sagt Chet am Steuer. Sie fahren vorbei an Häusern mit Glasfronten und riesigen Gärten voller Orangenbäume, nach hinten hinaus, zum Labyrinth der Wasserwege. Das Wasser ist von kräftigem Grünblau. Ihre Route führt durch schattige Tupfer, vorbei an Kokos-, Sabal- und Königspalmen, die ihren Weg begleiten. Große Pelikane hocken in den Mangrovenbäumen, die sie ohne Weiteres tragen können, da Pelikane kaum etwas wiegen, wie Chet ihn aufklärt. Lennox muss wieder einmal an die Möwen denken, die er und Les Brodie im Geist pubertärer Grausamkeit abgeknallt hatten, den manche nie ganz ablegen können.
Ein greller Lichtstrahl fällt unter den Schirm der Red-Sox-Kappe in Lennox’ Augen und löscht für einen Moment den Anblick der göttlichen Komödie aus. Als er wieder etwaserkennen kann, stimmen ihn die Laute der Vögel und die Farben romantisch, und er wünschte, Trudi könne das alles hier mit ihm teilen, könnte sehen, wie wunderbar sich alles geklärt hatte. Er denkt wieder an Edinburgh, wo sich
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