Crime
auf einer liest: Tianna Hinton.
Er legt sie ein und drückt auf Play, schaltet aber Sekunden später wieder aus, nachdem er Tianna nackt und benommen, mit bleiernen Lidern, auf genau dem Bett hat schwitzen sehen, auf dem er momentan selbst sitzt. Gerade war Lance Dearing ins Bild gekommen und im Begriff, sich mit lüsternem Grinsen über sie herzumachen.
Aber die Bilder, die auf Knopfdruck schwarz werden, rufen sofort eine Reihe anderer in ihm hervor: Horsburghs scheußliche Show. Er hatte sie sich in voller Länge ansehen müssen. Im Zeitalter der digitalen Aufzeichnung wurde einfach alles mit Handys und Kameras festgehalten– die Sünden noch häufiger als die Triumphe–, um es der ganzen Welt im Internet zu präsentieren. Warum sollten ausgerechnet Sexualstraftäter immun gegen diese Art von Narzissmus sein? Mörder waren die größten Diven: Die Raskolnikov-Tendenzen wurden durch jedermann zugängliche Aufnahmetechnologie und die allgemeine Bekenntniskultur verstärkt. Der Kriminelle, der Künstler, der Bürger, alle waren sie getrieben vom zwanghaften Verlangen, ihre Taten aufgezeichnet zu sehen, um sich ebenfalls digitale Unsterblichkeit zu sichern. Und Horsburgh hatte sein Publikum gefunden, als Gillman mit unbewegtem Gesicht Lennox angesehen, genickt und das bewusste Tape angestellt hatte.
Das Video, das Horsburgh in dem gemieteten Cottage in Berwickshire gedreht hatte, war technisch anspruchslos. Eine Kamera, ein Stativ und eine einzige halbnahe Einstellung: zwei Gestalten auf einem Bett, die kleinere fixiert,mit Händen und Füßen an das eiserne Bettgestell gefesselt. Man sah hauptsächlich seinen Körper, der sie verdeckte, und seine stoßenden Bewegungen, doch zwischendurch drehte er sein kaltes, grausames Gesicht in die Kamera, riss die Augen auf und leckte sich genießerisch die Lippen, eine widerliche, affektierte Fratze. Anfangs verriet nur das unsägliche Mantra konstanten, fassungslosen Schreckens, dass das kleine Mädchen noch lebte. Es war weniger, dass sie ihn anflehte, ihr nicht noch mehr Gewalt anzutun, eher, als wollte sie nicht wahrhaben, was mit ihr geschah. Dann begann sie zu wimmern:– Au, das tut weh, du tust mir weh, ich will meine Mama, ich will zu meiner Mama …
Es war unerträglich, dabei zuzusehen, aber ihm blieb nichts anderes übrig. Er bekam kaum Luft, während er auf das Logo auf dem Monitor gleich unterhalb des Bildschirms starrte und versuchte, in seinem Kopf den Ton auszublenden. Stattdessen wollte er sich auf Geschehnisse im Tynecastle-Stadion konzentrieren, die er vom Wheatfield Stand aus beobachtet hatte, und darüber meditieren, wie die letzten unbefriedigenden Ergebnisse ausgefallen wären, wenn man George Burley weiterhin als Manager behalten hätte …
Dann hatte Confectioner Britney ins Gesicht geschlagen und gezwungen, mitzuspielen:– Guck mich an! Guck mich verfickt noch mal an, bevor er ihr Gesicht zur Kamera drehte, wodurch Lennox nicht anders konnte, als in die zu Tode geängstigten Augen des Mädchens zu schauen:– Guck in die Kamera! Die wollen alle sehen, wer das hier mit dir macht!
Gillmans Zeigefinger schoss zum Bildschirm.– Der Ring, den er da trägt. Damit hat er der Kleinen die Vagina aufgerissen, was? Sind doch überall Abstriche gemacht worden, oder? War da Eddie Atherton dran? Der hat in dem Connigsburgh-Fall allerdings so einiges übersehen.
Es war irgendwie, als sähe Gillman auf dem Bildschirm bloß die Highlights des mäßig interessanten Fußballspiels,das Lennox sich vor seinem inneren Auge vorzustellen versucht hatte.
Und jetzt ist es Tianna statt Britney, und er kann nicht hinsehen. Aber er muss hinsehen. Er darf nicht wegsehen. Er drückt wieder auf Play.
Es ist anders. Dearing statt Horsburgh. Die Aufnahme ist gut; es gibt sogar einen Soundtrack mit leiser Fahrstuhlmusik. Panflöten. Er muss an die Autofahrt denken. Bei dieser Musik läuft’s mir eiskalt den Rücken runter . Dearings lächelndes Gesicht, seine liebevolle Hingabe. Als würde er Liebe machen . Das Mädchen, das benommene, schläfrige Kind, stier und puppenhaft unter der Betäubung; es war Tianna, der er das antat. Die kleine Tianna mit ihrer Zahnlücke, ihrem Schäfchenrucksack und ihren Baseball-Sammelbildern. Seine Hände krallen sich in den Quilt auf dem Bett, und er spürt im Gesicht die Tränen, die er nicht hatte zeigen können, als er sich das Video von Confectioner ansah. Aber dann entlarvt ein tastender Finger auf seiner trockenen Haut sie als
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