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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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der Schule nannten sie ihn antisozial. Kein angehender Hooligan wie Les. Eher ein Einzelgänger. Verschlossen. Schon unheimlich.
    Lennox fühlte sich von Les’ neuen Freunden aus Clermiston eingeschüchtert; sie erinnerten an die halbwilden Bestussten, für die sie Freiwild waren und zu denen sie in Oxgangs immer geflissentlich Abstand gehalten hatten. Und am nächsten Tag saß er mit einigen davon im Zug nach Dundee.
    Am Morgen hatte er die zerknüllte Leseliste betrachtet, die er all die Jahre heimlich aufgehoben hatte. Damals hatte er keins dieser Bücher gelesen. Er wusste nicht, warum nicht. Konnte nicht erklären, dass er darauf brannte, sie aber von sich aus entdecken musste. Dass er sie nicht von irgendwem aufgezwungen bekommen wollte. Zu der Zeit hatte ihn Melvilles Moby Dick ganz in seinen Bann geschlagen, und er wünschte sich, er könnte weiter die Nase in das Buch stecken, anstatt nach Dens Park zu fahren. Als er es weglegte, war ihm ganz schlecht vor Nervosität.
    Es waren etwa zwei Dutzend lose miteinander bekannte Gruppen von Freunden, die sich im Zug trafen. Wie in allen Mobs von fünfzehnjährigen Möchtegern-Hooligans gab es unter ihnen welche, die nur so zum Spaß mitmachten, und solche, die sich, vielleicht auch nur vorübergehend, von den spannenden Möglichkeiten mitreißen ließen, die einesolche Szene ihnen bieten mochte. Einige davon waren bereits in dieses Leben hineingewachsen, erkennbar an der ausdruckslosen, stupiden Kälte in ihren Augen, ihren verkniffenen Mündern und ihren angespannten Kinnpartien. Les war Ray Lennox scheinbar ausgewichen und hatte sich mit den eher gefährlicheren Typen umgeben. Lennox spürte, dass es da eine Hierarchie gab, in der man sich erst hocharbeiten musste. Aber es gelang ihm doch, seinen alten Freund auf sein Taubenhaus anzusprechen.
    – Verschrottet, zischte Les knapp, ohne ihn überhaupt richtig anzusehen.– Schnauze voll gehabt von dem Scheiß.
    Zehntausend Hearts-Fans hatten Karten für das Spiel und drängten sich in der Kurve hinter einem Tor und hinter der Spielfeld-Absperrung. Alle starrten sie auf den Tunnel unter der Haupttribüne, als ihre aufgeregte Mannschaft in den silbergrauen Hemden und kastanienbraunen Hosen des Auswärtstrikots unter frenetischem Applaus aufs Spielfeld kam. Sie sahen die Meisterschaftsflagge praktisch schon in Tynecastle flattern. Schließlich waren die Hearts bislang seit siebenundzwanzig Ligaspielen ungeschlagen, einunddreißig, wenn man den Scottish Cup mitzählte.
    Der legendäre schottische Kommentator Archie MacPherson hatte schon auf Kommentatorenbänken gehockt, die noch notdürftiger und gesundheitsgefährdender waren als die, auf der er nun mit dem Mikro in der Hand in Dens Park stand. Ohne einen Experten als Co-Kommentator zur Seite zu haben, hatte er ein trockenes Brot zu kauen, doch Profiund Sportverrückter, der er war, legte er mit Schwung los, um dem großen Anlass gerecht zu werden.– Ja, liebe Sportsfreunde, es hätte schon des zweiten Gesichts bedurft oder der Freundschaft mit dem Orakel von Delphi, um voraussagen zu können, dass die Hearts heute am allerletzten Spieltag der Saison nur noch ein einziger Punkt von der Meisterschaft trennt   …
    Während zehntausend Kehlen »Hello, Hello, We are the Georgie Boys« intonierten, nahm Wallace Mercer, der Vereinspräsident, in der Präsidentenkabine Platz und zeigte der Welt das steife Lächeln eines Mannes, der sich damit abgefunden hatte, dass er nie so geliebt werden würde, wie es ihm seiner Meinung nach gebührte. Aber in ihm hatte sich irgendetwas bereits verabschiedet. Noch vor allen anderen im Stadion war Mercer überzeugt, dass sein Team nicht gewinnen würde. In der Kabine hatte ein Virus grassiert, das zum Ausfall von Craig Levein geführt hatte, einem zentralen Defensivspieler. Bei vielen der Spieler hatte Mercer Lethargie feststellen müssen. Als er ihnen in die Augen gesehen hatte, bevor sie zum Umziehen gingen, machten sie auf ihn nicht den Eindruck von Männern mit dem unbedingten Willen zum Sieg. Sie sahen eher aus, als hielten sie ihre Arbeit für getan und meinten, sie hätten jetzt Anspruch auf eine lange Ruhepause, anstatt sich noch mal anstrengen zu müssen.
    Unten auf den Rängen der Geruch nach Bovril, Pasteten, schalem Lager, Whisky und Tabak. Von wogenden Männern, berauscht von Alkohol und Aufregung. Der Schiedsrichter pfeift an, Dundee stürmt, und ein nervöser Hearts-Hintermann muss über die Querlatte klären. Die ersten

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