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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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der Spieler in Silber und Weinrot, die jetzt überall lieber wären als auf dem Rasen von Dens Park. Billy Lennox drängt sich durch die Menge, um die Sanitäter am Spielfeldrand zu holen.
    Einige Leute gehen. Viele andere bleiben, verunsichert. Gemeinsam mit dem Schmerz der Niederlage flammt unter den Fans langsam ein gemeinsames Bekenntnis auf. Das Gefühl, ein bedeutendes Ereignis durchlebt zu haben. Die unausgesprochene, aber fast greifbare Erkenntnis, dass es weitaus essenzieller ist als die abgeschmackten Rituale der ruhmsüchtigen Idioten im Paisley, die vor den Kameras eine weitere Meisterschaft feiern. Es herrscht das Gefühl, dass dieses Drama in Dens Park, in das sie alle verwickelt sind, sehr nahe an das wahre Leben herankommt, das so viele Leute zu vergessen suchen, indem sie sich lieber mit Sport beschäftigen. Die Realität hat sie übel verarscht, undsie müssen diesen Moment gemeinsam durchstehen, aber es existiert keine Form, das zum Ausdruck zu bringen. Alles, was ihnen bleibt, ist, die Hearts hochleben zu lassen, die Mannschaft für einen Kampfgeist zu bejubeln, den sie eindeutig nicht bewiesen hat, wie im Grunde ihres Herzens auch alle wissen. Es sind Pfeifen, die im letzten Spiel alles verschenkt haben. Doch was die Menge tatsächlich zum Ausdruck zu bringen versucht, ist eine viel innigere Teilhabe an der Schönheit und dem Grauen des Lebens selbst. Nichts weniger ist es. Das entgeht Lennox. Er sitzt im Krankenwagen bei seinem angeschlagenen Vater, seinem Onkel und seinem Vetter und ist unterwegs ins Ninewells Hospital.
    Ian Gellatly, der Vereinsvorsitzende des Dundee FC , legt ihm tröstend eine Hand auf den Arm. Mercer nickt in nüchterner, gemessener Art seinen Dank. Denkt mit großer Traurigkeit an Teammanager Alex MacDonald, den er sofort nach dem Abpfiff deprimiert in den Tunnel hat verschwinden sehen. Geht mit sich zurate, ob er zu den Spielern in die Kabine gehen oder sie erst mal ihre Wunden lecken lassen soll. Verschwindet kurz irgendwo, um das Lächeln zu reprogrammieren. Der Geschäftsmann in ihm überschlägt den Verlust in ökonomischen Dimensionen, eher er charmesprühend wieder hinaustritt.
    Als Ray Lennox am Sonntag aufstand, hatte er nicht viel geschlafen. Sein Vater hatte einen minder schweren Herzinfarkt erlitten und war immer noch in Dundee. Er würde morgen ins Royal Infirmary in Edinburgh verlegt werden. Er würde seine ganze Lebensweise umstellen müssen, strenge Diät halten und Medikamente nehmen, Blutgerinnungshemmer. Ray Lennox überkam ein diffuser Rachedurst. Das dringende Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Er kämpfte mit widerstreitenden Emotionen. Er war entschlossen, sich Lesvorzuknöpfen. Die Frage Freund oder Feind ein für alle Mal zu klären. Was von beidem, war ihm mittlerweile egal, er wollte es nur geklärt wissen.
    Er nahm den Bus nach Clermiston und drückte sich durch die Seitengasse zu Les’ Hintertür. Aber als er den schmalen, gepflasterten Gang zwischen den Häusern hinunterging, überkam Lennox diese völlige Ruhe, die er heute so gut kannte; das ungute Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Dann wurde die trügerische Ruhe von einem Kreischen äußerster Todesangst zerrissen; es schien überall zu sein. Lennox sah einen Feuerball auf sich zuschießen. Er konnte dem brennenden Projektil nicht mehr ausweichen, also schloss er die Augen und war dankbar, dass es sein Gesicht verfehlte, obwohl es nahe genug kam, ihn spüren zu lassen, wie das Fleisch an seiner Kehle versengt und der Flaum unter seiner Nase abgeflämmt wurde. Als er sich umdrehte, sah er das Ding vom Rauputz der Hauswand hinter ihm abprallen und zu Boden fallen. Der Ball begann einen verzweifelten Tanz, und aus der Flamme schaute ein von Grauen erfülltes, um Erlösung flehendes Auge, während ihm der Gestank von brennendem Fleisch und versengten Federn in die Nase stieg.
    Lennox schrak zurück, als die Kreatur umkippte und stumm in sich zusammenfiel. Als er zum Taubenschlag sah, erschienen Les Brodies Augen so klein und vernunftlos wie die der brennenden Taube, als er einen weiteren verstörten Vogel aus Armeslänge vor sich hielt und mit Benzin aus einer kleinen Kanne übergoss. Lennox’ Haut brannte unter der Glut seines Blicks. Er drehte sich auf dem Absatz um und floh durch das Sträßchen hinterm Haus auf die große Straße vorn, verfolgt vom höhnischen Lachen seines früheren Spielkameraden.
    Noch ein kreischender, flammender Komet schoss in den Himmel über ihm und schaffte es bis

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