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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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und Ray war froh, dass sie in die andere Richtung verschwunden waren. Die Erwachsenen wollten die Polizei rufen, aber Les bestand darauf, dass alles in Ordnung sei. Sie eskortierten die Jungs bis zur Hauptstraße, bevor sie sie den kurzen Heimweg allein gehen ließen.
    – Was haben die getan?, fragte Ray ängstlich und starrte das Profil seines Freundes an; seine Tränen vermischten sich mit dem Schmutz auf seinem Gesicht, während Les phlegmatisch stumm nach vorne starrte.– Haben die dich verkloppt?
    Les blieb abrupt stehen und starrte seinen Freund an, als sähe er ihn zum ersten Mal.– Aye, aber ich hab mir nicht das Rad von ihnen klauen lassen, Raymie.
    – Ist das alles, was sie gemacht haben? Weil ich dachte–
    Da verzerrte sich das Gesicht von Les vor Wut.– Die haben mich vermoppt! Die ham mich verkloppt, schluchzte er kurz, bevor die Wut wieder die Oberhand gewann.– Und wehe du erzählst irgendeiner Fotze was davon, Raymie!
    – Ich sag kein Sterbenswörtchen, protestierte er.
    – Nicht zu Curtis, und nicht mal zu meiner Ma und meinem Dad, drängte Les.– Ehrenwort?
    – Aye   … aber sollten wir denen nicht die Polizei auf den Hals hetzen?
    – Scheiß auf die Polizei!, schrie Les ihn an.– Versprochen, Raymie?
    – Ist versprochen, hatte der kleine Ray Lennox gesagt.
    An diesem Abend saß er in seinem Zimmer und starrte aus dem Fenster. Seine Schulbücher lagen vor ihm auf dem kleinen Tisch, an dem er normalerweise seine Hausaufgaben machte. Außerdem lagen zwei Papiere dort: ein Anmeldeformular für eine von Edinburghs renommiertesten Handelsschulen und eine Leseliste mit klassischen Romanen, die er gelesen haben sollte, bevor er am Eignungstest für diese Schule teilnahm. Er zerriss das Formular in kleine Fetzen und knüllte die Bücherliste in seiner Faust zusammen, steckte sie dann in die Taschen seiner Shorts, die er anschließend in die unterste Schublade seines Kleiderschranks stopfte, um sie nie wieder anzuziehen.
    Er merkte nicht, dass sein Dad ins Zimmer gekommen war, während er noch aus dem Fenster starrte, er hörte nur, wie John Lennox sich räusperte, und sah ihn dann auf den Stapel seiner Schulbücher zeigen:– Das sind deine Fenster, mein Junge. Da draußen siehst du nur Bruchbuden und Rotznasen.
1986
    Er hielt sein Versprechen an Les; sie fuhren nie wieder nach Colinton Dell und sagten niemals zu jemandem ein Sterbenswort über den Vorfall. Nur ein einziges Mal kam er zwischen ihnen beiden wieder zur Sprache. Das war an einem Freitag Anfang Mai 1986.
    Les’ Familie war vor Kurzem raus nach Clermiston gezogen, einer weiteren Trabantenstadt. Die Lennox’ hatten ihr staatlich finanziertes Koloniehäuschen gekauft und mit Gewinn weiterverkauft und waren in eine neue Siedlung mit bescheidenen Eigenheimen in Colinton Mains gezogen. Die Jungs waren nun fast sechzehn und hatten unsichtbar in ihre Cola gekippten Wodka mit Shirley Feeney und Karen Witton getrunken, zwei Mädchen aus Oxgangs, die sie in Buster Brown’s Nachtklub kennengelernt und abgeschleppt hatten. Sie gingen zum Knutschen und Fummeln runter an den Kanal. Unzufrieden mit dem, was er bekam, und genervt, dass man nirgendwo sonst hingehen konnte, machte Les Druck auf Karen, ihn zu fellieren. Er wurde immer beharrlicher und drohte ihr schließlich unverhohlen. Bei der sichtlichen Angst des Mädchens fühlte sich Ray Lennox in den Tunnel zurückversetzt. Er begriff, dass er und Les sich auseinanderentwickelten und sie nur noch der Fußball zusammenhielt. Lennox fand Les’ Verhalten beängstigend und abstoßend, während Les sauer auf ihn war, weil er es nicht genauso machte und Shirley ähnlich bedrängte. Als er Les von den zunehmend verängstigten Mädchen wegzerrte, sagte Lennox:– Erinnerst du dich an damals unten im Dell? An diese drei Spinner?
    – Was ist mit denen? Was hat der Scheiß denn mit irgendwas zu tun?
    Aber Lennox sah die Scham hinter seiner Aggression. Er sah Les unverwandt an, bis dessen wütender Blick wieder verschwand.
    – Fotzen, sagte Les Brodie mit drohendem Knurren.– Den Wichsern würd ich heute gern noch mal über den Weg laufen.
    Er plusterte sich nur auf. Sie waren seit diesem Tag am Dell Freunde geblieben, doch Les hatte sich verändert. Ungezügelte Aggression war Teil seiner Natur geworden, und die Gewaltbereitschaft hinterließ unschöne Spuren in seinem früher so fröhlichen Gemüt. Die Möwen. Er liebte es, Möwen abzuschießen. Aber auch Ray Lennox hatte sich verändert. In

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