Crime
Hochzeitsplanung umfassen. Doch zuerst kam die Beerdigung seines Vaters.
Am Tag davor hatte er bei seiner Schwester reingeschaut: ein trüber, nasser und kalter Nachmittag, das Vorankommen auf der grauen, blattlosen Allee ein sich steigernderZermürbungskrieg gegen den peitschenden Wind. In der Zeit vor der Beerdigung hatte Jackie viel Kraft bewiesen. Sie hatte alle Vorbereitungen in die Hand genommen, alles auf ihre übliche effiziente Art geregelt und kaum Emotionen gezeigt. Als er sie an besagtem Morgen zu Hause besuchte, war er völlig konsterniert gewesen, als sie ihn in der Diele abfing, auf dem flaschengrünen Axminster-Teppich, der immer etwas muffig-feucht roch, obwohl er schon mehrfach gereinigt und gelüftet worden war:– Ray … mein kleiner Bruder. Du weißt doch, dass ich dich immer lieb gehabt hab, hatte sie gesagt.
Ihre Worte waren ein Schock für ihn, der umso größer war, als er Gin in ihrem Atem roch.– Da wär ich ja nie drauf gekommen, sagte er, und sie glaubte, er hätte es scherzhaft gemeint.
– Du solltest Mum besuchen, Ray. Sie braucht uns jetzt alle.
– War Jock denn da, sich um sie zu kümmern?, fragte er leise.
– Dem Himmel sei Dank, dass es Jock gibt, er ist der Größte.
Sie wusste es also nicht. Lennox schluckte seine Wut herunter.– Aye.
– Du solltest sie besuchen, wiederholte sie, diesmal mit der Bestimmtheit einer Rechtsanwältin.
– Aye, da guck ich später bei ihr vorbei, wa?, sagte er mit seiner Cop-Stimme mit den scharfen Vokalen und den Anleihen beim Assel-Slang, den er gelegentlich in Jackies Gegenwart benutzte, als Gegengewicht zu ihrem affektierten Tonfall. Das beseitigte die letzte Spur von Nähe zwischen ihnen. Dann entschuldigte er sich und ging, zurück unter Trudis Fittiche.
Manchmal ist ein gütiger Despot zuträglicher als die Selbstbestimmung, geht es ihm durch den Kopf, vor allem, wenn man ein hoffnungsloser Versager ist. Er schaut Robyn an, die vor sich hin starrt, auf irgendetwas Unsichtbares fixiert.– Das wird schon wieder, sagt er zu ihr und hofft, dass er recht behält.
Das Wiedersehen in Fort Lauderdale ist emotional und tränenreich, ebenso wie die anschließende Trennung. Lennox erklärt Tianna, dass ihre Mutter der Polizei helfen wird, böse Männer wie Vince, Clemson, Lance und Johnnie einzusperren. Was wahrscheinlich das Wahrste ist, das er ihr hat mitgeben können.
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23
Holocaust
Für sein kritisches Auge sieht es aus, als fächerten die Ganzkörperspiegel im Badezimmer ihn in tausend nackte Lennoxe auf, die sich in der Unendlichkeit verloren, jeder einzelne von mütterlicher Seite mit dem Makel der Untreue behaftet. Avril Lennox war das Überraschungspaket; er hatte immer seinen Vater im Blick, wenn er sich vorstellte, was aus ihm werden würde, und das alte Mädchen hatte sich angeschlichen aus dem toten Winkel, in dem das Doppelleben und die geheime Wollust angesiedelt waren. Von der Pubertät bis in deine Zwanziger warst du damit beschäftigt, dich als Individuum zu behaupten und zugleich deine erbliche Vorbelastung zu verschleiern. Und dann standest du plötzlich wie eine Stripperin im gnadenlosen Scheinwerferlicht und entblättertest dich bis auf deine wahren Erbanlagen.
Er schaltet die Badezimmerspots aus, sieht zu, wie sie dunkel anlaufen, und stößt dann schwungvoll die Tür auf. Der Kick ist wieder da: das sexuelle Verlangen, nein, der sexuelle Imperativ. Werde ich bei Trudi alles richtig machen?, fragt er sich und tritt in das pulsierende Licht des Hotelzimmers.
Er zieht an einer Schnur, und die Jalousie schließt sich, während sie eine Lampe am Bett anknipst wie eine Schachmeisterin, die routiniert einen Zug ihres Gegners erwidert. Sie ist nackt wie er selbst, im neuen Schick ihrer Sonnenbankbräune, und empfängt ihn mit einem herausfordernden Beckenstoß. Ihr Körper fühlt sich unter seinen zitternden Händen noch straffer an, als er ihn erinnert. Im Licht der indirekten Beleuchtung am Kopfende erkennt er einen Flaum milchweißer Haare auf ihren zart gebräunten Armen, nur wo die Haut sich geschält hat, sind vereinzelt rosa Fleckchen, die sie bekümmern. Sie wirkt so frisch, als würde es Vertiefungen hinterlassen, wenn man sie drückte, ein Lebkuchenmädchen, das gerade aus dem Backofen kommt. Eine Welle der Zuneigung erfasst ihn, und er gibt dem übermächtigen Impuls nach, ihr Gesicht zu streicheln. Weil sie diese Geste missdeutet, schubst Trudi ihn sanft zurück aufs Bett, schwingt sich auf ihn,
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