Crime
Kapiert?
– Ganz wie du willst–
– Genau. Und jetzt zieh Leine.
Der Mann zuckt die Achseln, hebt beschwichtigend die Hände und verzieht sich wieder in seine Ecke der Bar.
– Was sollte das denn jetzt?, fragt Starry verärgert.
– Dem seine Nase passte mir nicht, erklärt Lennox ihr, fixiert aber weiterhin den Mann, der prompt austrinkt und dann geht.
– Der wirkte eigentlich ganz nett, sagt sie und guckt Robyn an.
– Ich weiß nicht, ich fand den irgendwie unheimlich, sagt die.
– Na, damit kennst du dich ja bestens aus, Süße.
Robyn zieht ein bisschen ihre Nase kraus und zuckt die Achseln, dann wendet sie ihr etwas bemühtes Lächeln wieder Lennox zu.
Starry scheint ihren Ärger erst mal zurückzustellen.– Hört mal, wollen wir nicht umziehen?
Sie diskutieren, wohin. Lennox weiß, dass er eigentlich zurück ins Hotel müsste. Sich wieder mit Trudi vertragen. Außerdem wird er müde. Aber er kann sich jetzt nicht mit Trudi auseinandersetzen. Besser, er wartet, bis sie eingeschlafen ist.
– Was ist denn hiermit?, fragt Starry Lennox. Sie hält die Perfect Bride hoch.– Planst du ne Hochzeit?
– Aye. Allerdings nicht meine, sagt er, und überrascht sich selbst, in welch eleganten Pirouetten ihm solche Falschheiten über die Lippen kommen. Der Unterschied zwischen Bullen und Gangstern besteht darin, dass wir ein Festgehalt kriegen und besser lügen, hatte ihm sein Mentor Robbo mal erklärt.– Das ist mein Job, erläutert er.– Hochzeiten; das volle Programm.
– Du bist Hochzeitsplaner? Wie in dem Film mit Adam Sandler?, quiekt Robyn begeistert auf.
– Na … ja. Er schaut zu Starry, die sich zu einem verbissenen Lächeln zwingt, bevor ihr Handy »Won’t Get Fooled Again« intoniert. Sie entschuldigt sich und geht zum Eingang der Bar, um das Gespräch anzunehmen.
– Die Arbeit ist bestimmt ein Vergnügen. Muss doch Spaß machen, meint Robyn.
– Sie ist ziemlich stressig, hat aber ihre erbaulichen Momente.
Starry kommt zurück und will jetzt unbedingt in einen Laden, der sich Club Myopia nennt, aber Robyn zögert.– Ich müsste bald mal nach Tia sehen.
– Der wird schon nichts passiert sein, sagt Starry.– Nur noch ein Glas auf die Schnelle. Ich hab uns n bisschen was klargemacht.
Robyns Augen leuchten auf.– Du meinst, du hast … Sie stoppt sich noch rechtzeitig.
Lennox weiß, dass das »bisschen was« Koks ist. Es ist genau das, was er jetzt will. Braucht. Eine schöne Line weißes Pulver. Ein bisschen was, das ihn stark macht. Damit er vergisst, an tote Kinder zu denken. Damit es ihm scheißegal wird. Wie Robyn sagt, ist der Club Myopia praktisch um die Ecke, Richtung Süden. Liegt eigentlich auf dem Weg zurück zum Hotel.– Ich heb die für dich auf, grinst sie und steckt die Perfect Bride in ihre Handtasche,– die wird auf der Theke nicht schöner.
– Besten Dank, sagt Lennox augenzwinkernd, dann verlassen sie die Bar und laufen die Washington Street runter zum Club.
Starry und Robyn zeigen dem Türsteher ihre Führerscheine. Lennox hält seinen Dienstausweis von der Lothian and Borders Police Authority hin, das Foto darin noch mit Schnurrbart. Der Türsteher, ein muskulöser Schwarzer, senkt kaum merklich den Kopf, eisern, und ihre Blicke treffen sich. Lennox steckt den Ausweis wieder ein, aber so,dass die Mädchen ihn nicht sehen. Er will, dass sie endlich das Koks auspacken. Er sieht es schon in Starrys Handtasche in seinem Briefchen schwitzen. Robyn geht es genauso, ihrer Blickrichtung nach zu schließen.
Myopia ist eine Disco, und sie sind die Ältesten, ausgesetzt auf einem Meer braun gebrannter, durchtrainierter, schöner junger Menschen. Starry und Robyn verschwinden sofort in den »Ruheraum«. Sie bleiben so lange weg, dass Lennox schon fürchtet, sie hätten ihn sitzen lassen. Erst ungeduldig, dann beklommen, steht er in der wummernden Musik und dem blitzenden Stroboskoplicht allein an der Theke, und das schicke jugendliche Publikum scheint ihn abfällig zu mustern. Die Mädchen tragen kurze, hautenge Kleider in weitgehend der gleichen Farbe, sie kleben an ihren Körpern wie statisch aufgeladen. Gegen die überwiegend eleganten Hemden der Jungs wirkt sein Ramones-T-Shirt noch eine Nummer schäbiger. Er denkt: Michael Douglas in der Nachtklubszene von Basic Instinct , und tröstet sich mit der Gewissheit, dass er selbst nie so lächerlich wirken könnte.
Er wird immer nervöser. Er spürt, dass er von der anderen Seite der Theke beobachtet wird.
Weitere Kostenlose Bücher