Crime
harten und kalten Augen.–Wir gehen jetzt zu Robyn nach Haus. Sie schaut ihre Freundin an.
– Du bist eingeladen, sagt Robyn.– Hast du Lust mitzukommen? Noch ein bisschen Blow nachlegen?
Er geht mal davon aus, dass sie mit Blow Koks meint und nicht Gras, das er hasst.– Okay. Wo ist das?, brüllt er gegen die Musik an.
– Ich wohne drüben in Miami.
– Ich dachte, hier wär Miami.
– Nein, das hier ist Miami Beach , du Dummer, korrigiert ihn Robyn amüsiert.– Miami fängt hinter dem Damm an.
– Ach, stimmt ja. Er erinnert sich, wie sowohl Trudi wie auch Ginger ihm das eingetrichtert hatten.
Kokserfrischt verlassen sie den Klub. Lennox will ein Taxi anhalten, doch Starry hält ihn zurück.– Da kommt ein Bus, sagt sie und deutet mit dem Kopf auf das nahende Fahrzeug.– Ist billiger.
Diesmal bezahlt er mit dem richtigen Schein. Der Bus ist voller Betrunkener: die unvermeidliche Wanderbühne des öffentlichen Nahverkehrs bei Nacht. Hinten finden sie noch Platz, Lennox am Fenster, Robyn an seiner Seite, Starry vor ihnen. Sie telefoniert am Handy auf Spanisch. Robyn wirkt gereizt, was sich schnell auf Lennox überträgt. Der Bus hat rückseitig keine Fenster, was sein Unbehagen noch verstärkt. Ist doch unnatürlich, dass man nicht sehen kann, wo man hergekommen ist.
– Mit wem hast du geredet?, fragt Robyn misstrauisch, als ihre Freundin das Gespräch beendet.
– Nur mit ein paar Freunden aus dem Diner. Starry massiert ihrer Freundin beruhigend den Nacken, während sie sich über den Stress an ihrem Arbeitsplatz auslässt.– Dieser Mano ist vielleicht ein Arschloch …
Nachdem sie die Küstenlinie erreicht haben, ändert der Bus plötzlich die Richtung, überquert auf einer langen Brücke eine Wasserfläche und fährt dann ins eigentliche Miami, wie Lennox annimmt. Starry kratzt mit ihren Fingernägeln an etwas Glitzerndem am Busfenster, bis sie begreift, dass es außen an der Scheibe klebt. Die Hafenanlagen kommen in Sicht, erst die hohen Kräne, dann die Fracht- und Tankschiffe. Am eindrucksvollsten sind aber die Kreuzfahrtschiffe, etwa ein Dutzend von ihnen, wie schwimmende Wohnblocks, ein grandioses Bild, das noch überragt wird von den Wolkenkratzern von Downtown-Miami, die wie steinerne Wächter am Hafen stehen. Lennox ist beeindruckt, während das Koks in seinem Kopf hämmert und ihn stark macht. Seine Zähne mahlen heftig. Er will die geheimnisvollen gelben Lichter, die auf dem Wasser der dreckigen, glitschigen, dunklen Bucht schimmern. Er will sich in alldem verlieren: raus aus dem Sonnenlicht, bloß weg von den makellosen, weißen, perfekten Bräuten.
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6
Partytime
Es ist fast ganz dunkel, und durch diesen Schmuddelschleier, nur illuminiert von den eingestreuten Lichtern der hochaufragenden Wolkenkratzer des Bankenviertels, wirkt dieser Teil von Miami auf Lennox nicht nur unwirtlich und verdreckt, sondern auch gespenstisch menschenleer. Sein Eindruck verstärkt sich, als sie an der Haltestelle Government Centre aussteigen. Ein Großteil der Hochhäuser vor ihnen befindet sich noch im Bau. Sie stehen da wie eine stumme Armee von Zombies, die in verschiedenen Stadien der Verwesung aus der Erde gekrochen sind, aber noch nichts mit sich anzufangen wissen. Die Skelette riesiger Stahlkräne scheinen wie monströse Raubvögel nach ihrem Fleisch zu hacken.
– Ist billiger, ab hier ein Taxi zu nehmen, erklärt Starry, als sie mit der unter Drogeneinfluss typischen Zielstrebigkeit zum an die Haltestelle angrenzenden Taxistand stolzieren. Die meisten Passagiere waren schon an den vorherigen Haltestellen am Port of Miami, der Omni Station, der American Airways Arena oder dem runtergekommenen Stadtteil mit den kleinen Juweliergeschäften ausgestiegen. Jetzt wankt nur noch ein Betrunkener vor ihnen her; der verwirrt offen hängende Mund, mit dem er dem davonfahrenden Bus nachsieht, lässt vermuten, dass er nur versehentlich hier ausgestiegen ist. Lennox sieht sich an, wie sich die Stützpfeiler und Hochbahngleise des Metromovers einen Weg zwischen den Gebäuden der Stadt hindurch suchen; Miamierinnert ihn eher an Bangkok als an irgendeine andere der amerikanischen oder europäischen Städte, in denen er bisher gewesen ist. Das einzige ältere Gebäude, das er zu Gesicht bekommen hat, war das imposante mehrstöckige Gebäude des Dade-County-Gerichts, eindrucksvoll und wunderschön mit seinen vielen Stufen und Säulen, ein Prachtstück umgeben von geschmacklosen Imitationen.
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