Crime
Jeanies Pub vom Fußboden aufgeklaubt hatten. Die gute Frau, Melissa Collingwood, hatte nur helfen wollen, ihm etwas verdeutlichen wollen, aber sie hatte ihn wütend gemacht, als sie anfingen, über den Tod zu sprechen. Britneys Tod.– Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass sie allein gestorben ist, völlig verängstigt, hatte er ihr erzählt.– Darüber komm ich einfach nicht weg.
– Aber sterben wir letztlich nicht alle so? Allein? Verängstigt?, hatte Collingwood gesagt, und in ihren geweiteten Augen stand eine Aufrichtigkeit, die zu gequält wirkte, um irgendetwas anderes als aufgesetzt zu sein. Und darauf hatte er überreagiert.
– Sie war noch n beschissenes kleines Kind, du Spastikerin, hatte Lennox sie angebrüllt, ehe er zur Tür rausstürmte und erst wieder haltmachte, als er Bert’s Bar in Stockbridge erreicht hatte. Dort war er immer, seit er den Fall übernommen hatte. Er ignorierte die Voicemail-Nachrichten seines NA – Betreuers, eines gut gelaunten Feuerwehrmannes namens Keith Goodwin, dessen zahllose Kontaktversuche den Off-Kommentar zu seinem Absturz bildeten.
Jetzt hat er keine Antidepressiva mehr, und er will Kokain.
Ein Country-&-Western-Song von der Jukebox setzt ein, eine geistreiche Nummer über Alkohol. Unmerklich hat sich die Bar gefüllt. Vielleicht fünfzehn Leute sind im Raum. Die obdachlose Frau ist weg. Lennox kippt einen kräftigen Schluck Bier. Erst sind die Gespräche lauter, dann werden sie von der Musik verdrängt. Es geht hin und her. Ein paar Leute kommen und gehen, aber die meisten bleiben, die Ellbogen fest auf der Theke.
Aus dem Augenwinkel sieht er, wie eine der Frauen, ermutigt von der anderen, zu ihm herüberschaut. Er verwirft den Gedanken gleich wieder: Er kann seinen eigenen Sinnen im Moment nicht trauen. Aber sie gleitet vom Barhocker und kommt auf ihn zu. Sie ist zierlich gebaut, bekleidet mit einem kurzen Jeansrock und lindgrünem Oberteil, eine Raffung in der Mitte, die ihren Busen hebt. Natürlich bauchfrei, und ein bleicher Fleischlappen, akzentuiert durch ein Nabel-Piercing, hängt über ihren Rockbund.– Hast du mal Feuer? Sie zerdehnt das »Feuaaaaah«. Ihr Akzent klingt eindeutig nach Südstaaten, nicht nach dem Mainstream-Amerikanisch, das in Miami vorzuherrschen scheint.
– Aye. Lennox zückt ein Feuerzeug, das er aus dem Hotel mitgenommen hat. Es trägt den Aufdruck FLORIDA und dazu ein paar Palmen. Er klickt die Flamme an, die sie näher locken wird.
Eine künstliche Blondine mit fast durchscheinend weißer Haut, in der ihr knallroter Lippenstiftmund wie eine klaffende Schnittwunde aussieht. Ihre Augen liegen tief in den Höhlen, darunter so dunkle Säcke, dass Lennox sie erst für Blutergüsse hält, bis sich im Licht der Flamme zeigt,dass es Erschöpfung ist. Ihr Gesicht ist eingefallen. Etwas mehr Fleisch hätte den schönen Knochenbau betonen können. Aber so ganz ohne wirkt sie wie skelettiert. Lennox sieht von Drogen gemeißelte Gesichtszüge, obwohl er schätzt, dass man mit schlechter Ernährung– vornehmlich auf Zigaretten und Kaffee aufbauend– den gleichen Effekt erzielen könnte.
– Wohin gehört denn dieser Akzent?, fragt sie mit rauchiger, honigsüßer Stimme.
– Schottland.
– Wie cool!, sagt sie mit einer überschäumenden Begeisterung, die sie derart belebt, dass Lennox sofort bereit ist, seine frühere Einschätzung zu revidieren.– Im Urlaub hier?
– Urlaub … aye …, sagt Lennox und muss an Trudi denken. Ob sie wieder im Hotel ist? Vielleicht sogar schon im Flieger zurück nach Haus? Bestimmt nicht. Er weiß es nicht. Er blickt nicht mehr durch. Er schaut auf seine bandagierte Hand, die sich ans Bierglas klammert. Sie ist ein Fremdkörper.
– Ich bin Robyn, erklärt sie.– Mit y.
– Ray mit ay, erwidert er.– Komisch, zu Haus bei uns heißen nur Männer so. Und normalerweise nur Bonzenkinder, hätte er gerne noch dazu erklärt, lässt es aber lieber.– Bist du aus Miami?
Robyn-mit-y schüttelt den Kopf.– Kein Mensch ist aus Miami, alle landen hier nur. Ich bin aus Mobile, Alabama. Sie dreht sich zu ihrer Freundin um, wodurch Lennox ebenfalls dazu gezwungen ist.– Das ist meine Freundin Starry.
Er sieht eine Frau von etwa eins siebzig mit einem schmalen, ovalen Gesicht und langen, rabenschwarzen Haaren, die ihr in Locken auf die Schultern fallen. Sie hat dieselben klassischen Latino-Züge, die er seit seiner Landung hier schon an vielen Frauen im Stillen bewundert hat; die Brauen, die zu
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