Crime
Es ist der Typ aus dem Club Deuce, dieser Vertretertyp, der witzig sein wollte. Lennox schöpft aus seiner Wut neue Energie und schlängelt sich durch die ausgelassene Meute auf der Tanzfläche in den hinteren Bereich des Ladens. Dann schlägt er einen Haken, sodass er plötzlich hinter dem anderen steht, der sich den Hals verrenkt und Lennox auf der Tanzfläche sucht.– Na, suchst du irgendwen?, brüllt Lennox über den Lärm des Sound-Systems, und der Mann zuckt zusammen.– Willst du tanzen, oder was?
– Pass auf, ich … beginnt der Mann, wird aber von Lennox’ Hand daran gehindert, der, die noch genug Kraft in den Fingern hat, sich um seinen dünnen Hals zu legen und ihm die Luft abzuschnüren.
– Nee, du passt auf. Ich weiß nicht, was für ein Scheißspiel du vorhast, aber du bewegst deinen Arsch hier besser ganz schnell raus, fordert er und packt noch fester zu.– Ham wir uns verstanden?
An den verängstigten Augen des Mannes kann Lennox ablesen, wie weit seine erbitterte Wut reicht. Als ihm bewusst wird, dass andere auf die Szene aufmerksam werden, lässt er los. Der um Luft ringende Mann fasst sich an den Hals und taumelt zurück. Ein Rausschmeißer hat den Vorgang zum Teil mitbekommen, beschränkt sich aber wie Lennox selbst darauf, dem anderen mit den Augen zu folgen, bis er das AUSGANG – Zeichen erreicht.
Lennox bestellt sich einen neuen Drink, um seinen absackenden Adrenalinspiegel auszugleichen, wenn auch erfolglos, und wartet verärgert auf die Mädchen. Er zwingt sich, still stehen zu bleiben und nichts zu tun, weil er hofft, echte Gelassenheit würde sich schon einstellen, wenn er sie nur lange genug simuliert. Als die Mädchen endlich zurückkommen, sehen sie weit rosiger und lebendiger aus, Robyn ganz besonders. Sie geben Lennox das Koks diskret in einem kleinen Zip-Lock-Tütchen.– Ich dachte schon, ihr wärt mir weggelaufen, grinst er.
– Nie im Leben, sagt Robyn. Er sieht, wie viel Selbstbewusstsein das Koks ihr gibt. Ein Näschen, und schon ist sie der Mensch, der sie immer sein wollte. Er kennt das. Starry hat das nicht wirklich nötig. Sie wirft ihre Lockenmähne zurück und grinst ihn an. Er zieht ab zum Männerklo. Die Kabinen sind winzig und haben niedrige Türen. Nicht so diskret wie in Großbritannien. Man kann durch den Schlitz alles sehen, oder einfach obendrüber gucken, wenn man Lust dazu hat. Aber keine Panik . Er zieht eine solide Line auf dem Wasserkasten aus. Das Zeug sieht gut aus. Er hackt es mit seinem Dienstausweis feiner. Für eine Sekunde denkt er an Trudi, die höchstwahrscheinlich im Hotelzimmersitzt, dann an Keith Goodwin von den NA und all die gute Arbeit, die der geleistet hat. War es gute Arbeit? Und jetzt spült er das alles im Klo runter. Britneys Gesicht: kalt, blau und zerschlagen. Mr. Confectioners ekelerregende Häme. Das spült er alles mit weg.
Die Line löscht alles aus, und Lennox kommt wie ein Koloss zurück auf die Tanzfläche marschiert, den Unterkiefer vorgereckt. Starry und Robyn tanzen, und er schiebt sich lässig zwischen sie, ölig und unbesiegbar. Ja, die anderen Tanzenden, sie spüren seine Kraft, seine strahlende Verachtung für sie. Sie weichen vor ihm wie die Pygmäen, die sie für ihn darstellen. Er erinnert sich schmerzlos seiner vergangenen Seitensprünge, an denen seine Beziehung zu Trudi beim ersten Mal kaputtgegangen ist: jede Eroberung ein wertloses Anhängerchen an einem Bettelarmband aus Katzengold, und jede einzelne vollzogen, während er sich genau wie jetzt fühlte.
Warum macht er das, fragt er sich, mal abgesehen davon, dass Koks eine aufgeilende Wirkung hat? Seine Verlobte ist mittlerweile vermutlich wieder im Hotel. Lennox quält immer die Vorstellung, dass das ganz große Event, die eigentliche Party, irgendwo anders stattfindet. Sein Radar– dieses spezielle Kribbeln unter der Haut– verrät ihm, dass er richtigliegt. Dann wird ihm bewusst, dass er ein Cop ist und die große Party immer woanders stattfindet, im Zivilleben nämlich. Und wenn er sie gefunden hat, dann nicht, um mitzumachen, sondern um sie zu sprengen. Jetzt allerdings, für diese zwei Wochen, ist er Zivilist. Und es ist gut hier. Um uns herum stürzt die Welt ein, aber Gott sei Dank gibt es Menschen, die noch neu genug oder einfach noch blöd genug sind, auf die Tanzfläche zu stürmen und sich zu benehmen, als hätte die Party gerade erst angefangen.
Starry streicht ihre Haare zurück und begegnet seinem Raubtierblick mit ihren ebenso
Weitere Kostenlose Bücher