Crime
feinen Bögen gezupft waren unddie riesigen, eindrucksvollen dunklen Augen betonten, die Unvorbereitete vaporisieren konnten. Dazu eine lange, gerade Nase, wie man sie in Schottland nur selten antrifft.
Alter, Lebensgewohnheiten und womöglich – verhältnisse haben ihr die klassische Schönheit beinahe ausgetrieben, doch was davon übrig ist, hat immer noch ein ziemliches Temperament. Sie macht eine gute Figur in den engen Jeans, und die Converse All Stars fallen Lennox nur auf, weil sie wie die aussehen, die gerne von Leuten in Oxgangs getragen wurden, als er noch klein war. Sein Blick wandert von ihren Augen zu ihrem grausilbrig glänzenden Effekt-Oberteil, dem es kaum gelingt, ihren formidablen Busen zu bändigen, und zurück.
Starry lächelt ihn träge, abschätzend, aber huldvoll an. Es ist unübersehbar einstudiert, demonstriert aber ein intelligentes Kalkül, das ihm unwillkürlich Respekt abnötigt. Diese Frau ist knallhart, aber irgendetwas verrät ihm, dass ihre Kraft mindestens genauso hart erarbeitet ist wie gottgegeben.
Eine, die schon einiges überlebt hat , denkt Lennox. Wie billig und abgegriffen diese Floskel geworden ist. Ich hab den Weihnachtsrummel überlebt. Ich hab den Holocaust überlebt. Ich hab einen Urlaub mit meinen Schwiegereltern überlebt. Ich hab Kindesmissbrauch überlebt . Er stellt seine private Überlebensliste zusammen: Sexualdelikte, Drogensucht, gescheiterte Beziehungen, Karrierefrust, Nervenzusammenbruch, das Leben überhaupt.
Es war alles zu viel. Er hat das Überleben satt. Wird Zeit, zu leben. Lennox merkt, dass Robyn erwartungsvoll dasteht.
– Möchten die beiden Ladys vielleicht etwas trinken?
Sie nicken und nennen ihre Wünsche. Während der Barmann einschenkt, fühlt sich Lennox zwar geschröpft, doch der leichte Unwille, den er verspürt, rührt nur daher, dassdie Mädchen zu glauben scheinen, er würde es nicht merken.– Das hier ist Ray-mit-ay aus Skatlin, grinst Robyn.
– Und was machst du beruflich, Ray?, fragt Starry.
– Vetreter, lügt Lennox. Er sagt unter anderen Menschen nie, dass er Bulle ist. Außer, er will sie loswerden.
Starry hat ein unverschämtes Grinsen aufgesetzt, als sie sich von Lennox ihren Drink geben lässt. Sie schubst Robyn zu Lennox hin, drängt sie ihm förmlich auf. Die Frauen grinsen sich an. Es bestehen keine Zweifel, wer hier das Sagen hat, denkt er. Ja, diese schäbigen, kleinen Triumphe. Er hatte es schon so oft gesehen, bei so vielen Frauen, mit denen er durch die Arbeit zu tun hatte.
Angela Hamil hatte so wenig verlangt. Dass ihre Tochter entführt, missbraucht und ermordet worden war, hatte sie zerstört. Aber sie schien keine echte Wut zu empfinden. Das Leben hatte sie schon vor langer Zeit resignieren lassen: Sie reagierte, als habe sie dieses Grauen, das sie heimgesucht hatte, erwartet, ja sogar verdient. Es war nur ein weiterer Schicksalsschlag neben all den anderen, die ihr schon widerfahren waren.
Schwerkriminalität.
Lennox denkt über die Bezeichnung seiner Dienststelle nach, und die Verbrechen, die ihm den Namen geben. Mord. Vergewaltigung. Schwere Körperverletzung. Entführung. Bewaffneter Raub. Dass die meisten, die Schwerverbrechen begingen, schlimm dran waren, verstand sich von selbst. Doch vielen der Opfer ging es nicht besser. Nur zu oft kamen Opfer und Täter aus ganz ähnlichen Verhältnissen.
– Schottland muss ja ein verdammt schönes Land sein, sagt Starry in ihrem unspezifischeren Amerikanisch.
Lennox lächelt gezwungen.– Geht so.
– Weil’s nämlich so aussieht, als wärst du in Gedanken immer noch da. Ich sag dir, was ich denke: Normalerweise gibt’s nur einen Grund, warum ein fremder Mann in einefremde Bar kommt und die Drinks so weghaut wie du. Und zwar eine fremde Frau.
Angela Hamil. Trudi Lowe .
– Fremde Frauen, befremdliche Frauen. Aye, davon laufen so einige rum, gibt Lennox zurück.
– Und wie gehen die Geschäfte dieses Jahr?, fragt Starry, wobei sie die harmlose Bemerkung mit mysteriöser Schlüpfrigkeit auflädt.
– Ach, nicht übel. Ihr kennt das ja, erwidert Lennox geheimnisvoll, auf ihr Spielchen eingehend.
Sie guckt ihn an, als warte sie, dass noch mehr von ihm käme. Dann fragt sie:– Und was verkaufst du so?
– Ich rede nie über meine Arbeit, wenn ich unter Leuten bin, sagt er.– Ich will nur so viel sagen: Nicht die Ware zählt, sondern allein der Kunde.
Starry erglüht beinahe bei diesem faden Spruch. Sie zerrt ihre Freundin wieder vor, und Lennox
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