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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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Hitze, Überanstrengung und Runterkommen, es ging wohl ums Weitergehenmüssen.
    Denn jetzt brüllt Tianna ihn an. Zuerst kann er sie nicht hören, nur ein Geräusch so konstant wie Stille. Er muss stehen bleiben und bewusst seine Antennen ausfahren.
    – …   ich geh außerdem gern zu Fuß, und ich bin kein kleines Kind, erklärt sie nachdrücklich, mit Zornesfurchen im Gesicht,– also behandel mich auch nicht so!
    – Na gut, sagt er kleinlaut. Sie latschen schweigend noch für eine gefühlte Ewigkeit, misstrauisch gegeneinander, über die 7 th Street, auf der sie wieder herausgekommen sind, blinzelnd wie entflohene Kettensträflinge in der Wüste. Lennox’ Herz rast bei jedem vorbeifahrenden Streifenwagen. Die Zeitschrift trommelt einen immer schnelleren Takt auf seinem Oberschenkel.
    Der Wildhüter, der zum Wilderer wurde.
    Er spürt, dass die Leute ihn anstarren. Kleidungsstil, Haltung, Hautton, er passt nicht hierher. Vielleicht liegt es auch an dem Mädchen; an ihren trägen Engelsaugen, die ihm bei seiner grimmigen Mission der Barmherzigkeit folgen. Die Hitze hat die Luft stickig gemacht, und das Hochglanzmagazin in seiner Hand ist schweißgetränkt. Sie scheinen die einzigen Fußgänger zu sein: dieser weiße Mann und dieses kleine Mädchen. In diesem Moment fällt ihm auf, dass er nicht in der Lage wäre, von Tiannas Gesichtszügen und Hautton auf die Ethnie ihres Vaters zu schließen. Er könnte schwarz gewesen sein, Asiate, Weißer oder Latino. Er muss an den GolfprofiTiger Woods denken: der neue Modellamerikaner. Er versucht im Geiste, Robyn aus ihrer Tochter herauszuphotoshoppen, um zu sehen, was übrig bleibt, doch es zeigt sich immer noch kein überzeugendes Bild. Das Einzige, was ihm geschmackloserweise dazu einfällt, ist Robyns Schamhaar.
    In Britneys Viertel würde kein Mensch Notiz von uns nehmen. Die Kriege in ihrer Siedlung richteten sich gegen die Bosnienflüchtlinge, die ihnen die Stadtverwaltung reingesetzt hatte, oder den allein lebenden, stillen Modelleisenbahnfan. Oder den Anstreicher, der schwarzarbeitete. Vielleicht auch die blöde Zicke, die das letzte Paket Beefburger im Eckladen abkriegt, und den kriecherischen Paki, der es ihr verkauft. Oder gegen den muskelbepackten Schläger, der einem die Tür eintritt und Glotze und Stereoanlage einsackt,während der schmächtige, leichenblasse Gerichtsvollzieher einem den Vollstreckungsbescheid unter die geschockte Nase hält. Oder gegen den versoffenen, zerknirschten Ehemann, der mal wieder die Monatsmiete für Alk und Pferdewetten verbrannt hat. Ihre Kriege waren Bruderkriege und erfassten alle und alles; Kriege, geboren aus Arbeitslosigkeit, Armut und Frustration. Und währenddessen hatte ein wahres Ungeheuer in ihrer Mitte unentdeckt durchschlüpfen können.
    Mr.   Confectioner hätte sich nie ein Viertel der gehobenen Mittelschicht ausgesucht, wo Leute, die nichts Besseres zu tun haben, und die Nachbarschaftswache nur darauf warten, die Polizei über einen weißen Van zu informieren, der in ihrer Straße parkt.
    Dann erhebt sich ein imposantes Sportstadion vor ihnen– das Herz eines Schotten jubiliert bei diesem Anblick. Tianna erklärt ihm, das sei das Orange Bowl. Darauf zugehend, stoßen sie auf eine weitere kurze, heruntergekommene Einkaufszeile. Aber an dieser steht ein Taxi, dessen Schild anzeigt, dass es frei ist.
    In dem brutheißen Taxi fällt ein Gutteil Paranoia von ihm ab. Lennox ist jetzt unbeugsam entschlossen, das Mädchen außer Reichweite von Dearing, Johnnie und Starry zu bringen; diese Leute stellen eine Gefahr für sie dar, und Robyn kann sie nicht beschützen. Aber dieser Chet kann es vielleicht. Das Problem ist nur, dass Tianna jetzt eingeschnappt ist. Also zeigt er dem Taxifahrer die Adresse. Der Mann spricht nur rudimentäres Englisch und weiß nicht, wo das ist. Er erklärt, dass er aus Nicaragua stamme.– Ich nicht von hier, sagt er immer wieder.
    Ich hab Zurückgebliebene am Hals, die sich in diesem Land nicht zurechtfinden, denkt Tianna, aber Bobby Scotsman will ihr helfen, versucht, sie zu Chet zu bringen, also lenkt sie ein.– Es ist ganz schön weit.
    Diese Neuigkeit zieht Lennox erst mal runter, doch dann steigt sein Stimmungsbarometer wieder, denn sie hat zum ersten Mal freiwillig den Mund aufgemacht.– Wie weit? Außerhalb der Staatsgrenze?
    – Nein, es ist schon noch in Florida. Am Meer, aber irgendwo ein Stück hinterm Freeway.
    Lennox denkt an den Flughafen: die Leihwagenfirmen. Keine besonders

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