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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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schrillt just in dem Moment, als Ray Lennox seine leere Geschäftsstelle betritt. Eine denkbar deplatzierte Absperrkordel in Nachtklubrot lenkt den nicht existenten Kundenstrom. Pye legt seinen Burger hin, nimmt den Hörer ab und mustert Lennox flüchtig mit einem missbilligenden Blick:– Hey! Gus? Alles frisch im Schritt? Wer in Dreiteufelsnamen ist denn diese unterernährte Schwuchtel   …?– Yeah   … geht klar, Gus   …
    Lennox betrachtet den adipösen Mann, dann wandert sein Blick zu der vollbusigen, unverkennbar silikonunterfütterten jungen Frau, die auf dem Kalender an der Wand hinter ihm ihren gelben Bikini zu sprengen droht.
    – Wunderlich, Gustave, überaus wunderlich. Aber klar doch, mein Freund. Bring sie heute Abend vorbei. Ich bin zu Haus.
    Die Ungeduld kocht in Lennox, als er Pyes Blick begegnet. Im nächsten Sekundenbruchteil stellt sich wechselseitige Antipathie ein.
    – Dann bis heut Abend. Man sieht sich, Gus. Pye lässt den Hörer aus seiner Hand auf die Gabel tropfen. Schweinsäuglein betrachten Lennox mit vergnügter Bosheit.– Und jetzt, sagt er und setzt ein serviles Lächeln auf.
    – Ein Auto. Muss nach Bologna.
    – Wie nett, lächelt Pye, als Lennox ihm seinen Führerschein reicht. Er betrachtet ihn einen Moment, hält ihn hoch wie eine Banknote mit hohem Nennwert.– Sie wollen doch nicht die Staatsgrenze überqueren?
    – Nein. Bologna, Florida. Maximal zwei Tage.
    T.   W. Pye senkt den Kopf, und sein Lächeln wird breiter, bis es die Grenze zur Falschheit erreicht.– Denn wir können Ihnen keinen Wagen geben, wenn Sie über die Staatsgrenze wollen, wo Sie ja Ausländer sind. Neue Vorschriften: Krieg gegen den Terror. Die Großen, Hertz, Avis, die könnten Ihnen da weiterhelfen.
    – Keine Grenze. Bologna, Florida, wiederholt Lennox, der sich in der Rolle des Bittstellers unbehaglich fühlt.– Höchstens zwei Tage.
    – Na, ich hätte da einen VW Polo. Pyes Grinsen hält sich weiterhin, selbst noch, als ein Schweißtropfen von seiner Schläfe über seine Wangen läuft wie der genussvolle Messerschnitt eines Psychopathen.– Europäer. Sparsam im Verbrauch. Wär doch was. Wo sind Sie her?
    – Wie viel?, Lennox zückt seine Platin-Visacard.
    Pye lehnt sich zurück und rattert mit mürrischem Blick Preise und Geschäftsbedingungen herunter. Lennox nickt alles mit steinerner Miene ab, da öffnet sich die Tür. Tianna kommt herein, ihre Jacke lässig um den Finger gehakt und über den Rücken geworfen. Wie Lennox vorher, schlägt sie mit der Zeitschrift einen Takt auf ihrem Bein. Pye betrachtet die indigoblauen Shorts und das senfgelbe Tanktop mit dem glitzernden Aufdruck, die dazugehörenden langgliedrigen, mageren Beine. Er reagiert mit dem anzüglichen Grinsen des geilen Bocks; die Augen werden schmal, das Gesicht strafft sich, und das Blut weicht daraus. Lennox nimmt den üblen Geruch phlegmatischer Begierde wahr, und seine Zähne knirschen wieder unwillkürlich.
    Pye ist die Reaktion nicht entgangen, und er wendet sich ihm wieder zu, höfliche Unbefangenheit vortäuschend, während Tianna gegen sein Pult wippt.– Ihre Tochter?, erkundigt er sich.
    Lennox harter Blick ist eine stumme Drohung. SeineHände packen die Kante des Pults. Die schlimme reagiert mit einschießendem, stoßweisen Schmerz, den er unterdrückt.
    – Das ist mein Onkel Ray, interveniert Tianna herzig und dreht sich mit sehr bedenklicher Verschwörermiene zu Lennox um.– Onkel Ray aus Schottland.
    – Dacht ich doch, dass Sie einen Akzent hätten, meint Pye geschmeidig und grinst erst Lennox, dann Tianna an.
    – Irgendeinen Akzent hat jeder, sagt Lennox tonlos, lockert seinen Griff und freut sich über den schrittweise nachlassenden Schmerz.– Schlüssel?
    – Dann kommse mal rüber. Der verfettete Angestellte steht auf und bequemt sich keuchend hinter seinem Pult hervor. Lennox und Tianna folgen ihm über die kackbraunen Teppichfliesen auf dem Betonboden, einige davon lose Stolperfallen. Die Milchglastür in der Trennwand aus Walnussimitat ist verdreckt, und auf der Klinke ist irgendein Siff festgebacken. Lennox ekelt sich, sie anzufassen; für ihn ist es so, als hätte er viele Male Pyes Schwanz aus dessen Hose geholt und auf das Porzellan gerichtet.
    Sie gehen einen Flur hinunter, durch zwei mit Keilen offen gehaltene Feuertüren, und nach draußen auf den Parkplatz. Auf dem Weg sieht Lennox sie an der Wand: schon wieder so ein Whiteboard, der Ausdruck institutioneller Idiotie, die pornografische

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