Crime
wäre, geht es Lennox durch den Kopf. Als er versucht, Tianna sozialverträglich einzukleiden, fühlt sich Lennox vom Pimp zur tüddeligen, altjüngferlichen Tante mutieren. Aber sie ist noch ein Kind, man kann sie nicht wie eine aufgetakelte Disconutte rumlaufen lassen.
Lennox kauft ihr ein paar weit geschnittene Sachen, ersetzt seine verloren gegangene Red-Sox-Basecap und kauft sich eine neue Sonnenbrille. Dann geht Tianna in den »Ruheraum« der Mall und kommt in Jeans und T-Shirt wieder heraus. Das ist schon besser, aber er bekniet sie, sich auch das Make-up vom Gesicht zu waschen, und sie geht widerwillig zurück und tut ihm den Gefallen.
– Das ist toll, sagt Lennox zu dem ermutigenden Ergebnis bei ihrer Rückkehr. Sie sieht wie eine Zehnjährige aus.
– Ich seh voll bescheuert aus, sagt sie, aber es ist nur ein symbolischer Protest.
Sie gehen in die Eisdiele und bestellen: Lennox bekommt den besten Milchshake in Florida, Schokolade, Tianna ein Erdbeer-Eiscreme-Float. Er betrachtet sie wieder, beide ergötzen sich an dem Blubbern der Eisreste in ihrem Strohhalm. Sie ist ein Kind. Warum sitzt er hier mit ihr?
Ich bin ein Cop.
Ich bin kein guter Cop. Ich bin so weit gekommen, wie ich konnte.
Nein. Falsch.
Er war so weit gekommen, wie er musste . Gerade weit genug, um die ganz miesen Schweine zu jagen und die Ermittlungen an der Front zu leiten. Noch eine Beförderung würde ihn zum Toal machen: an den Schreibtisch gekettet. Es war sein bitteres Los, dass es ihn zur dunklen Seite der Polizeiarbeit zog– alles andere wäre ihm wie Zeitverschwendung erschienen–, aber er ließ es zu nah an sich ran. Um diesen Job zu machen, danach ruhig schlafen zu können und am nächsten Tag aufzustehen und dasselbe wieder zu tun, musste man wie Dougie Gillman sein. Gillman würde nie befördert werden. Vor einem Ausschuss von Krawattenheinis würde er sich aufbauen, einsilbige Antworten auf deren schwachsinnige Fragen abhusten und stumm über sie richten. Sie würden seine Verachtung und seineHäme spüren. Sie würden ihm nie in seine geringschätzigen, eiskalten Augen sehen können. Denn Gillman sprach eine Wahrheit aus– eine besonders düstere und brutale Wahrheit, aber eine, die immer noch die Macht hatte, die Heuchler um ihn herum zu beschämen und zu verdammen.
Und wie Robbo vor seinem Zusammenbruch, war Gillman ein guter Cop. Du warst froh, ihn im Team zu haben, weil er Angst verbreitete. Lennox würde niemals so sein. In einem fairen Kampf konnte er Gillman mit Kickboxen pürieren. Aber er würde ihm nie das Leben nehmen. Gillman dagegen würde sich aufrappeln, erneut auf ihn losgehen und ihn auslöschen wie eine Kerze. Anders als Lennox kannte er keine Grenzen. Als sein Vorgesetzter in der Hierarchie war Lennox ebenso machtlos wie liberal gesinnte Eltern, die nichts von der Prügelstrafe gegenüber ihrem berechnenden, psychopathischen Nachwuchs hielten.
Schon komisch, dass er an Gillman dachte, während er versonnen die hübsche Latina-Kellnerin anschaut, die behende und elegant wie ein kleiner Vogel zwischen den Tischen herumspringt und Kaffee nachschenkt.
– Findest du, dass die gut aussieht?, fragt Tianna.
– Doch, ja, schon, sagt er und denkt, dass dem Kind wirklich nichts entging. Es bestärkt ihn in seinem Entschluss, niemals Kinder zu bekommen, erst recht keine Tochter. Scheiß drauf .
Tiannas Stimme bekommt einen süßen Klang.– Ich will die Haare so geschnitten haben, dass ich wie ein süßes Pferdchen aussehe.
Lennox dekodiert das Funkeln in ihren Augen als Durchtriebenheit, und das Blut gefriert ihm in den Adern. Tianna hat seine Reaktion sofort richtig gelesen. Sie zieht sich ein paar Strähnen in die Stirn.– So etwa, erklärt sie.
– Ach so … Ponyfransen. Lennox ist erleichtert, und seine Herzfrequenz normalisiert sich wieder.
Sie wirft ihm einen unerwartet kalten Blick zu, der etwas in ihm absterben lässt. Der liebevolle, väterliche Vibe, an den er sich schon zu gewöhnen begann, verpufft, als er sich mit ihren Augen sieht: der wissenden, verächtlichen Grausamkeit ihres Blicks nach zu urteilen, könnte er auch ein linkischer Jungbulle sein, der einer arroganten, reichen Lady erklärt, sie stünde im Parkverbot.
Onkel Chet ist unser Mann, denkt er mit dröhnendem Schädel. Chet regelt das schon. Er winkt nach der Rechnung. Die Eisdiele füllt sich mit Müttern und ihren Kindern, Cops und Verkäuferinnen. Tianna erzählt ihm von Chets großem Boot an der Golfküste. Dann
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