Crime
haben.– Ich glaub, ich find Delfine gut. Wir haben mal welche gesehen, als wir mit Chets Boot draußen waren. Und Robben, Alligatoren, Fische und Seekühe find ich irgendwie gut, lauter so Meerestiere.
– Wo du hier lebst, hast du ja bestimmt schon viele gesehen.
– Och, meistens nur drüber gelesen.
– Aye, aber einen Alligator wirst du doch schon mal gesehen haben.
– Nee, keinen echten, meint sie.– Wir sind schon oft durch die Glades gefahren, aber immer haben sie gesagt, wir hätten keine Zeit, um anzuhalten und nach Reptilien zu gucken. Momma und Starry und … Sie dreht den Kopf weg zum Fenster, unfähig, den Satz zu beenden.
Er sieht es vor sich, Robyn und Starry zugekokst unterwegs zu irgendeiner Abendveranstaltung, Tianna todmüde auf der Rückbank.– Wer noch?, fragt er.– Wer ist denn gefahren? Deine Mutter?
– Momma und noch andere Leute.
Lennox sieht, wie sie auf ihrer Haarsträhne kaut und auf den Wagenboden starrt.– Leute wie Lance und Johnnie?
– Ich will nicht über die reden, Ray. Ihr Gesicht verzieht sich, und ihre Stimme wird schrill.– Könnten wir bitte nicht über die reden?
– Okay, Schatz, keine Sorge. Lennox patscht dem verstörten Mädchen linkisch auf die Schulter. Er nimmt sich vor, nichts zu überstürzen. Die Fahrt ist lang, soll sie es erzählen, wenn sie bereit dazu ist. Ihm fällt auf, dass sie ihn zum ersten Mal mit seinem Namen angesprochen hat. Sauerei. Konnten nicht mal in den beschissenen Everglades halten, damit das Kind sich Alligatoren angucken kann. Was sind das für Leute?
Lennox lässt sich durch ein bisschen Avantgarde-Jazz beruhigen, der jedoch schnell in irgendeinen Panflöten-Altersheim-Kleister übergeht, der Gift für sein Mojo ist und Tianna so maßlos ärgert, dass ihr Arm sofort zum Radio schießt und den Ton wegdreht.– Da muss ich ja kotzen!
– Was ist denn mit dem Zeug, das du in der Mall gekauft hast?
Sie kramt in dem Schafrucksack auf ihrem Schoß und holt begeistert eine Kelly-Clarkson- CD raus, die sie in den Player schiebt. Mit Erleichterung sieht Lennox, dass die Autoanlage die CD immer wieder auswirft. Den anderen ergeht es genauso.– Ist das schwach!
– Da beschweren wir uns aber bei der Autovermietung, sagt er und versucht, sich ein zufriedenes Grinsen zu verkneifen. Er schafft es nicht, sie sieht es und boxt ihm gegen den Arm.
– Du!
Sie stellen im Radio101.5 Lite FM ein, einen Sender, der von sich behauptet, die »Nummer1 in South FLA « zu sein. »So Hard to Say I’m Sorry« von Chicago setzt ein, und Lennox muss an Robbo denken.
Dann kommen endlose Werbespots, in denen ehrliche, aber zu enthusiasanierte Stimmen günstige Privatkredite und Finanzierungsmodelle für so gut wie alles anbieten, hauptsächlich jedoch für Immobilien und Autos. Direkt im Anschluss werden dann von weiteren Firmen mit dem gebührenden Ernst Pakete für Umschuldungen oder »Schuldenabbau mit Konzept« offeriert. Sind wahrscheinlich dieselben Firmen, denkt Lennox und führt eine Flasche Evian an den Mund, eine neuerliche Breitseite im Kampf gegen seinen unerträglichen Durst.
Eine unheimliche Stimme lässt ihn zusammenfahren; jemand zischt: »Sitzen Sie mit einer Waffe in der Hand in einem dunklen Raum und denken daran, Ihren Chef umzubringen? Lassen Sie Licht herein, schalten Sie Lite FM ein!«
Auf Tiannas Quengeln sucht er einen anderen Sender.Die Beatles singen »Love Me Do«. Lennox denkt an Trudi, und als sie einen LKW mit dem Aufkleber »Support Our Boys« überholen, beginnt er, mit überzogenem Liverpooler Akzent mitzusingen. Tianna stimmt mit ein, erst leise, dann mit zunehmender Begeisterung. Lange vor Schluss schmalzen sie sich schon gegenseitig an.
Als das Stück zu Ende ist, ist beiden die neu entdeckte, kitschige Intimität, die sich eingeschlichen hat, peinlich. Sie ziehen sich verlegen voneinander zurück, wie ein Pärchen in einem Hollywoodmusical, das gerade zusammen einen spektakulären Tanz aufs Parkett gelegt hat. Tianna streicht sich die Haare aus dem Gesicht und fragt schüchtern:– Dahinten an der Tankstelle, da hast du wohl mit deiner Freundin telefoniert, oder?
– Aye. Äh, ja.
– Drüben in Skatlin?
– Nee, äh, sie ist hier in Miami. Er weist mit einem Nicken auf das Magazin in Tiannas Schoß.– Wir heiraten irgendwann dieses Jahr.
Tianna verstummt, und es gibt ihr anscheinend eine Weile zu denken. Dann fragt sie:– Wie ist sie so?
– Sie ist nett, sagt Lennox und merkt sofort, wie lahm das
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