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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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Seinen übermüdeten Augen stellt sich die urbane Kartografie nur als unscharf gedruckte Linien verschiedener Farben dar: schwarz gerastert, ein paar rote, ein paar blaue und gelegentlich eine grüne. Die Schrift ist so klein, dass er sie kaum entziffern kann. Was stand da überhaupt? Beunruhigt stellt er fest, dass er auf dem Highway41 Richtung Westen fährt und sich von der eigentlich geplanten Route über die 75Interstate, die sogenannte Alligator Alley, entfernt. Schlimmer noch, es scheint ihn zurück durch den Stadtteil zu führen, aus dem sie gerade geflohen waren, in dem Robyn und Tianna wohnen. Sie sitzt stockstill auf dem Beifahrersitz, wieder in ihre Welt des Schweigens versunken, zu der er keinen Zutritt hat.
    Ihm bleibt nichts zu tun, als weiter nach Westen zu fahren. Über die Interstate wären sie in drei Stunden in Bologna, aber das wird nicht klappen, weil sie auf dem Highway41, dem Tamiami Trail, gelandet sind; rechter Hand deprimierende Schilder, die eine Geschwindigkeitsgrenze von 55Meilen die Stunde vorschreiben, links auf dem Mittelstreifen eine Aluminiumwand, die ungerührt die Narben vergangener Unfälle zur Schau trägt.
    Lennox ist überrascht, wie schnell und unvermittelt die Vororte von Miami in die Sümpfe der Everglades übergehen. Raubvögel, wie er sie noch nie gesehen hat, als hätte man riesige Krähen mit Falken gekreuzt, schweben am Himmel. Viele davon sind selbst zu Opfern geworden, als sie sich auf totgefahrene Tiere stürzten, und liegen in unterschiedlichen Stadien der Zerschrotung über den Highway verschmiert. Einige Waldgebiete wirken ausgedünnt, vielleicht Hurrikan-Schäden, vermutet Lennox. Die Bäume verbogen, eingeknickt und verdorrt, als seien sie eher von großer Hitze als von Wind verformt worden, und über weite Bereiche sind Zäune umgerissen. In den Sümpfen hängen große weiße Kraniche in scheinbar dafür viel zu kümmerlichen Bäumen, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, und Lennox muss erneut an Les und die Möwen denken.
    Tianna hat ihr Päckchen Baseball-Sammelkarten wieder herausgeholt und zählt sie durch.
    – Die Karten gefallen dir wohl, was? Sammelst du die?
    – N-n. Ich behalt bloß die hier. Die sind von meinem Daddy. Sie betrachtet ihn durch den Schild ihrer Haare und wartet seine Reaktion ab.– Die hier sind nichts wert, aber er hatte auch ein paar echt wertvolle. Stehst du auf Baseball?
    – Eigentlich nicht. Um ehrlich zu sein, ich halt nicht viel von amerikanischen Sportarten. Komm schon, Baseball ist doch nichts anderes als Schlagball, ein Spiel für kleine Kinder, höhnt er, bevor er sich besinnt, wie alt sie ist.– Was ich eigentlich sagen wollte: Kein Schotte würde jemals Baseball spielen!!
    – Ach ja?, meint sie und reicht ihm eine Karte:
     
    BOBBY THOMSON
(geb.: 23.   Oktober 1923, Glasgow, Schottland)
    264 Home Runs in 14 Saisons. Berühmt wurde er für seinen »Schuss, der auf der ganzen Welt gehört wurde«, mit dem die New York Giants 1951 die Meisterschaft gegen die Brooklyn Dodgers gewannen.
    Der »Staten-Island-Schotte« war das jüngste Kind einer sechsköpfigen Familie, die in seiner Kindheit in die USA auswanderte. Er spielte für die Giants, Braves, Cubs, Red Sox und Orioles. Nun im Ruhestand, lebt er in Savannah, Georgia.
    Lennox hält die Karte ans Lenkrad geklemmt und wirft mehrmals kurze Blicke darauf.– Das geschieht mir recht!
    Tianna lacht, nimmt die Karte zurück und ist plötzlich abgelenkt durch ein überholendes Auto, das zwei Profirennräder auf dem Dach montiert hat.– Cool, sagt sie, auf die Räder zeigend.– Bist du als Kind Rad gefahren?
    – Aye. Es versetzt Lennox einen Stich, als er sich an das blau-weiße Raleigh erinnert, das er zum elften Geburtstag bekommen hat. Wie seine Eltern ihm eingeschärft hatten, gut darauf achtzugeben und keinen aus der Siedlung damit eine Runde drehen zu lassen.
    – Was für eins war das?
    – Irgendein Fahrrad eben. Seine Antwort barsch, weil die Erinnerung ihn trifft, wo es wehtut; seine Speiseröhre noch verätzt vom Alkohol der letzten Nacht, und sein Hirn reißt längst zugewachsene neuronale Pfade auf. Er schluckt schwer, und sein Mageneingang zieht sich zusammen.– Was magst du denn sonst noch?, fragt er, um das Thema zu wechseln.– Was ist zum Beispiel mit Tieren?
    Tianna überdenkt die Frage eine Weile. Durch ihre Bereitwilligkeit, der Frage viel mehr Gewicht zu geben, als sie verdient, fühlt er sich erst recht wie ein Idiot, sie überhauptgestellt zu

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