Crime
Stunde, ich bin wirklich erledigt.
Sie setzt sich in den anderen Sessel. Er könnte gut auf ihre Gesellschaft verzichten, aber das Kind wurde so oft sich allein überlassen, da scheint ihm das bisschen Mühe nicht zu viel verlangt. Vielleicht entspannt sie sich dann und rückt von sich aus mit ein paar Informationen über die Leute in Miami und diesen Vince in Mobile raus. Tianna nimmt sich die Fernbedienung und schaltet zu MTV um. Lennox ist etwas unwohl, als er sich mit dem alten Schulmädchen-Video von Britney Spears konfrontiert sieht. Als das Video damals gedreht wurde, hatte sie den Leuten weisgemacht, sie wäre noch Jungfrau. Damals konnte er darüber nur dreckig lachen, aber jetzt erscheint es ihm doch zumindest denkbar. Tianna sitzt wie gebannt davor. Schließlich dreht sie sich zu ihm um und fragt:– Findest du Britney immer noch sexy? Ich hab sie in dem Magazin von meiner Mutter gesehen, und da sah sie fett und eklig aus. Bäh!
Wieder muss er an den Körper der erdrosselten Britney Hamil denken, der nackt auf dem Tisch der Forensik lag. Ein Kind, das nach einem Popstar benannt wurde, der es nun überlebt.
– Sie hat gerade ein Baby gekriegt, sagt Lennox,– also sei mal nicht so streng.
Es ist ihm unangenehm, sich mit ihr dieses Video anzusehen, und er besteht darauf, dass sie den Sender wechselt.– Das interessiert doch keinen mehr, erklärt er lahm. Tianna schaltet durch die Kanäle und bleibt dann bei einer Sendung begeistert hängen.– Das Model und der Freak! , quietscht sie.
Lennox hat insgeheim sogar Spaß an dieser Datingshow, auch wenn er sie lieber alleine gesehen hätte. Das Konzept bestand darin, dass die angeblichen »Models«– die meisten in Wirklichkeit ziemlich durchschnittliche Mädchen, die die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen hatten– mit bebrillten, neurotisch-verklemmten, aber intelligenten Nerds verkuppelt wurden, die für gewöhnlich Herausragendes in Wissenschaft, Geschäftsleben oder Computertechnik leisteten.
Anfangs liegen Lennox’ Sympathien bei den linkischen, gehemmten Jungs, die leichte Beute für die munteren, aber prolligen Schnepfen sind. Aber dann merkt man deutlich, dass die Jungs alle nur darauf aus sind, ihre soziale Kompetenz zu verbessern, um Frauen abschleppen zu können. Die Frauen erwecken bei aller Oberflächlichkeit oft den Eindruck, als hätten sie tatsächlich gewisse Vorstellungen von Romantik. Sie waren zwar scharf darauf, sich einen Partner mit Geld und Zukunft zu angeln, und wollten die Trottel so aufmöbeln, dass sie auf Hochzeitsfotos einen halbwegs attraktiven und coolen Eindruck machten, aber irgendwie hatten sie doch wenigstens eine vage Vorstellung von etwas über einen soliden Fick hinaus. Letztendlich beginnt ihn die totale Vorhersehbarkeit des Ganzen aber doch zu deprimieren. Dass Tianna sich kaum davon losreißen kann, beunruhigt ihn. Bald gelingt es ihm kaum noch, die Augen offen zu halten.
– Und, fandest du das gut?, fragt sie ihn, als der Abspann der Sendung kommt.
– Aye, war ganz nett.
– Momma und ich finden die Sendung toll.
Er kann sich Robyn lebhaft vorstellen, eine Ikone cooler, aber leider unzuverlässiger Mutterschaft im Strahlenkranz gebrochener Versprechen. Wie sie sich selbst als Tiannas große Ersatzschwester besetzt und das Mädchen mit einer endlosen Abfolge von Realityshows im Fernsehen konfrontiert, zumal solchen mit einem Dating-Element. Ihre neuronalen Netze mit diesem Scheiß zukleistert, der im Zusammenspiel mit Robyns eigenem Verhalten die Weltsicht des Mädchens prägt. Während sie durch ähnliche Shows zappen, macht es den Eindruck, als verströme das Fernsehen mehr Ödnis und Ennui als Straßen und Bars, obwohl die Moderatorinnen und Moderatoren sich hektisch abmühten, maximale Emotionen zu schüren, um irgendwen für ihre Inhalte zu interessieren. Es sieht so aus, als hätten die Sender Schwierigkeiten, Menschen aufzutreiben, die schmerzfrei genug waren, um ungerührt die extremsten Banalitäten zu verbreiten. Dabei waren die wirklich relevanten Nachrichten gleich da draußen, in Sichtweite, aber sie standen nicht zur Diskussion, als seien sie durch einen unsichtbaren elektrischen Zaun ausgegrenzt. Eine verzweifelte Wut macht sich in ihm breit.– Du solltest dir lieber Sachen ansehen, die andere Mädchen in deinem Alter gucken.
– Was denn zum Beispiel?
– Keine Ahnung. Da gibt’s doch bestimmt irgendwas. Zeichentrickfilme vielleicht?
– Die Simpsons sind gut. South Park ist
Weitere Kostenlose Bücher