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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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Bettdecke wieder über sich. Obwohl völlig erschöpft, schwingen seine Nerven jetzt gespannt wie Klaviersaiten, und er kann nicht schlafen. Er muss wieder aufstehen und ein weiteres Mal Zuflucht beim Fernsehen suchen; er schaltet durch die Kanäle, bis er bei einer Tierdoku auf Discovery landet.
    Es dreht sich um die Bemühungen zur Arterhaltung der vom Aussterben bedrohten Pandabären in China. Die bestehen offenbar hauptsächlich darin, dass Wissenschaftler die Pandas und ihren Nachwuchs schikanieren: Sie trennen die Jungen von den Eltern, knipsen ihnen Sender in dieOhren und tätowieren sie in den Schnauzen. Eine amerikanische Frau in Begleitung ihres Sohns führt durch die Sendung, die sie als »persönliche Reise« beschreibt. Sie assistieren den chinesischen Zoologen bei dem, was sie, zum offenkundigen Unbehagen der Tiere, mit den Pandas anstellen. Lennox vermutet, dass die Tiere, wenn sie kommunizieren könnten, wahrscheinlich sagen würden:– Verpisst euch, lasst uns in Ruhe unseren Bambus essen und aussterben.
    Aber so ticken die Menschen nicht. Unsere Gier bringt euch um, aber unser Stolz verlangt von uns, euch zu retten.
    Tianna. Ist sie sein persönliches Pandababyprojekt? Macht er das hier für sie oder weil sein Ego ihm verbietet, vor Kinderschändern zu kapitulieren? Vor Typen wie Mr.   Confectioner oder Dearing? Aber letztlich, denkt er, kommt es auf das Motiv nicht an. Wichtig ist nur das Handeln. Das Richtige zu tun.
    Lennox macht den Fernseher aus und versucht es noch mal mit dem Bett. Er kann immer noch nicht schlafen. Tiannas Rucksack steht auf dem Tisch. Das dumme Schafgesicht verspottet ihn. Er streckt den Arm aus und greift sich die Tasche. Er will ihre Sachen nicht durchsuchen, aber er ist Polizist, und sie ist irgendwie gefährdet. Er muss Dinge über sie erfahren. Als er die diversen Taschen und Fächer des Rucksacks öffnet, spürt er die frevelhafte Macht und den durchdringenden Schmerz über diesen weiteren Eingriff in die Intimsphäre des Mädchens. Bulle und Kinderschänder: Brüder in Abscheulichkeit vereint. Neben den Sammelkarten, einer Bürste und etwas Schminkzeug findet er ihr schwarzes Notizbuch. Auf der Seite nach ihrem zur Veranschaulichung hingekritzelten Baseball-Diamond findet er einen Eintrag:
    Hi Nooshka,
    tut mir leid, dass ich so lange nicht geschrieben habe. Ich werde wohl faul. Du kommst nie drauf, was mir passiert ist. Ich hab einen Mann kennengelernt. Er heißt Ray. Er lebt auf einer Burg in Schottland, ganz weit übers Meer. Ich nenne ihn Bobby-Ray. Die große Neuigkeit ist, dass wir total verliebt sind und demnächst heiraten! Und du sollst meine Brautjungfer sein! Auf einer Burg in Schottland, wo wir beide wohnen werden. Du kannst gerne rüberkommen und uns besuchen oder zu uns ziehen. Du, und Momma auch. Sie kann in einem Cottage auf unserem Anwesen wohnen, damit wir uns um sie kümmern können. Dann kann sie zum Fernsehen zu uns rüberkommen oder mit uns im Rittersaal essen.
    Ray ist nicht wie die anderen, wie du-weißt-schon-wer. Ray ist eher so wie Onkel Chet, nur jünger, und er sieht besser aus. Er hat so braune, ganz kurz geschnittene Haare, wie ein US – Marine oder so was.
    Ich mach mir irgendwie Sorgen um Momma. Ich bete für sie. Aber ich weiß, dass Ray ihr helfen wird. Ich weiß, dass mein Bobby-Ray und Chet alles wiedergutmachen. Ich wünschte, wir wären in Mobile geblieben. Aber da war Vince, der Lügner, und sowieso hätte ich dann ja auch nie meinen süßen Bobby-Ray getroffen.
    Deine beste Freundin
    Tianna Marie Hinton
    Er lässt das Notizbuch auf den Tisch fallen. Steht ein weiteres Mal auf, um sich auch noch den letzten Tropfen Urin aus der Blase zu pressen. Nooshka klang wie eine imaginäre Freundin. Ein Teil von ihm ist allerdings geschmeichelt, dass die Kleine ihn so sieht, so viel Vertrauen zu ihm hat. Es ist eine alberne Schwärmerei, sonst nichts– genauso hatte er für seine Grundschullehrerin empfunden, Miss Milne, einfach nur, weil sie nett zu ihm gewesen war. Aber er war damals ein Kind gewesen, das nicht mal an Sex gedacht hatte; Tianna ist von Pädos praktisch kaputt gefickt worden, was diese Fantasterei nicht ungefährlich machte. Doch selbst wenn sie sich so verkorkst äußert, bleibt die Tatsache, dass die Kleine an ihn glaubt, so sehr an ihn glauben will. Er kann sie nicht enttäuschen. Trotzdem fühlt er sich von dem ganzen Vorfall immer noch schmutzig, als er auf allen vieren vorsichtig zum Bett zurückkrabbelt.
    Lennox

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