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Crimson - Teuflische Besessenheit (German Edition)

Crimson - Teuflische Besessenheit (German Edition)

Titel: Crimson - Teuflische Besessenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Merrick
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arbeiten. Wie lange ich da draußen gelegen hatte, wusste ich nicht. Es konnten einige Sekunden gewesen sein, oder auch einige Minuten, doch ich wusste, dass ich dem Tod noch nie so nahe gewesen war. Meine Zeit war wohl noch nicht gekommen. Handelte es sich um einen Zufall? Wäre das Karibu nicht hier gewesen, was wäre dann passiert? Es glich einem Wink des Schicksals, als ich ebenso ein Rentier bei der Pipeline entdeckt hatte – wie eine Art von Zeichen, welches mich doch tatsächlich eingeholt hatte und mir die Gewissheit gab, dass alles vorausbestimmt war. Mir fiel auf Anhieb eine alte Geschichte ein, die ich vor einigen Jahren von einem alten Mann gehört hatte, der auf der Straße gestanden und um Geld gebettelt hatte. Er erzählte, dass man den Tod weder austricksen noch ihm entrinnen, und nach seiner Erfahrung ebenso nicht einholen konnte. Folgende Geschichte erzählte er:
    Es lebte einmal ein reicher Kaufmann in Bagdad, der eines Tages auf dem großen Basar am Tigris eine erschreckende Begegnung hatte. Er erkannte auf der anderen Seite des Flusses den Tod, und er erhoffte sich, dass der ihn nicht entdecken würde. Doch wie das Schicksal so spielte, sah ihn der Tod direkt an, tat äußerst freudig und winkte ihm sogar noch mit seiner Knochenhand zu. Als er dies sah, floh der Kaufmann voller Furcht in seinen Palast, packte seine persönlichen Dinge zusammen, nahm das schnellste Pferd, das er für Geld bekommen konnte, und ritt wie der Wind ins weit entfernte Sumatra. Kaum war er abends erschöpft dort angekommen, erwarb er eine kleine Holzhütte und hoffte, dadurch dem Tod entflohen zu sein. Doch mitten in der Nacht klopfte es an der Tür und herein kam der Tod. Er sagte, dass seine Zeit gekommen sei, und dass er ihn nun mitnehmen müsse. Widerwillig schlug der Kaufmann ein, mit ihm zu gehen, doch bevor er sich ihm endgültig anschloss, fragte er ihn, warum er ihm auf dem Basar zugewunken hatte. Doch der Tod antwortete, dass dies nicht seine Absicht gewesen war, sondern dass er nur überrascht war, ihn am selben Tag in Bagdad zu begegnen, wo er doch wusste, ihn an diesem Abend im weit entfernten Sumatra anzutreffen.
    Als tröstend konnte man diese Geschichte keinesfalls bezeichnen, doch sie gab mir zu denken, und mein Gehirn arbeitete erneut auf Hochtouren. Allmählich konnte ich auch meinen Körper wieder fühlen. Die wärmende Heizung taute die gefrorenen Glieder wieder auf.
    Ein Blick in den Rückspiegel offenbarte mir wieder meine tote Ladung. Dieses Ding auf der Ladefläche des Pickups lag da wie ein gefrorener Kokon, der nur darauf wartete, sich endlich zu befreien und sein Geheimnis preiszugeben. Ich wusste, dass ich ihm dabei helfen musste!
    Ich raffte mich erneut dazu auf, die Leiche zu inspizieren, und wagte mich noch einmal hinaus in die lebensfeindlichen Temperaturen. Langsam bewegte ich mich durch die alles zerfressende Kälte, immer den Blick nach Norden gerichtet, dorthin, wo sich der rettende Flughafen befand, den Parker erwähnt hatte. Direkt am Ende der Welt: Prudhoe Bay!
    Ich öffnete die hintere Luke, stieg auf die Ladefläche und näherte mich dem leblosen Körper. Mit Mühe und Not konnte ich den Toten von diesen ganzen »Leichentüchern« befreien und empfand dabei eine gewisse Erleichterung, so als hätte ich ihm dazu verholfen, sich in einen Schmetterling zu verwandeln. Doch der Anblick war alles andere als solch eine Metamorphose, als ich erkennen musste, dass sein ganzer Körper völlig durchgefroren war. Seine Haut fühlte sich an wie raues und hartes Pergamentpapier, auch seine Gesichtszüge, die völlig entgleist waren, glichen einer Schaufensterpuppe, der man vergessen hatte, den Mund zu schließen.
    Ich starrte in sein Gesicht und erkannte die blau geschwollene Zunge. Die Kälte hatte ihr den Rest gegeben. Doch seine Augäpfel toppten diesen schaurigen Anblick: Sie spiegelten die finstere Leere, die meinem inneren Empfinden verdammt nahekam – so grau und unendlich tief, wobei die eisige Luft einige Tropfen, welche noch aus seinem Tränenkanal geronnen waren, an den Wimpern festgefroren hatte. Ich hätte mir auch vorstellen können, dass seine Lider bei der kleinsten Berührung abgebrochen wären. Widerlich!
    An seinem Hals erkannte ich noch die tiefen Mulden, die von meinen Fingerkuppen herrührten, als ich dem armen Teufel das Leben genommen hatte. Seine Haut glich einem weißen Laken, an dem bereits Motten und der Schimmel ganze Arbeit geleistet hatten. Leicht berührte ich

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