Crisis
Baseballschläger.
Antonio ließ Jack los und starrte die Neuankömmlinge wütend an.
»Ich glaube nicht, dass ihr Jungs hier aus der Gegend seid«, bemerkte David, dessen Stimme jetzt nicht mehr so scharf klang. »Aesop, durchsuch sie!«
Aesop trat vor und nahm Franco mit flinken Gesten seine Waffe ab. Franco leistete keinen Widerstand. Der zweite Schläger war nicht bewaffnet.
»Und jetzt würde ich euch beiden empfehlen, von hier zu verschwinden«, sagte David und nahm die Waffe von Aesop entgegen.
»Wir sind noch nicht fertig miteinander«, knurrte Franco Jack zu, als er und Antonio sich abwandten. Die Basketballspieler traten zur Seite, um sie durchzulassen.
»Warren hat mich vor dir gewarnt«, sagte David zu Jack. »Er hat gesagt, dass du gerne mal in Schwierigkeiten gerätst und er dir schon mehr als einmal den Arsch retten musste. Du hast Glück, dass wir diese weißen Mistkerle während des Spiels draußen haben herumlungern sehen. Worum ging’s?«
»Nur ein Missverständnis«, antwortete Jack ausweichend. Mit einem Finger berührte er seine Lippe. Als er ihn zurückzog, sah er einen Blutfleck.
»Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid. Jetzt besorgst du dir am besten etwas Eis für deine dicke Lippe. Und warum nimmst du nicht einfach die Knarre? Womöglich kannst du sie brauchen, wenn dieses Arschloch auf einmal bei dir vor der Tür steht.«
Jack lehnte die Waffe ab und bedankte sich bei David und den anderen, ehe er in den Wagen stieg. Als Erstes holte er das Pfefferspray heraus. Danach musterte er sein Gesicht im Rückspiegel. Die rechte Hälfte seiner Oberlippe war geschwollen und schimmerte leicht bläulich. Über sein Kinn zog sich ein getrockneter Blutfaden. »Großer Gott«, murmelte er. Warren hatte Recht, er hatte wirklich ein Talent dafür, sich in gefährliche Situationen zu bringen. So gut es ging, wischte er sich mit dem Saum seines T-Shirts das Blut ab.
Auf dem Rückweg zu den Bowmans dachte er daran, einfach zu schwindeln und zu behaupten, er habe sich die Verletzung beim Basketball zugezogen. Blaue Flecken waren nichts Ungewöhnliches, da er so oft spielte und Basketball seiner Erfahrung nach ein Kontaktsport war. Craig und Alexis waren nach den heutigen Zeugenaussagen sicher deprimiert, und er wollte ihnen nicht noch eine weitere Last aufbürden. Er befürchtete, wenn er ihnen die Wahrheit erzählte, würden sie sich womöglich zu Unrecht Vorwürfe machen.
So leise wie möglich schloss Jack die Vordertür auf. Seine Kleider und Schuhe hatte er im Arm. Er wollte nach unten schleichen und schnell duschen, ehe er jemandem über den Weg lief. Zwar wollte er seine Lippe schnellstmöglich mit Eis kühlen, aber die Verletzung war inzwischen schon so alt, dass weitere fünfzehn Minuten kaum noch etwas ausmachen würden. Nachdem er die Eingangstür leise hinter sich geschlossen hatte, hielt er inne. Sein sechster Sinn sagte ihm, dass etwas nicht in Ordnung war; das Haus war zu still. Jedes Mal, wenn er es bisher betreten hatte, hatte es Hintergrundgeräusche gegeben: ein Radio, ein klingelndes Handy, plappernde Kinder oder der Fernseher. Jetzt hörte er gar nichts, und diese Stille verkündete Unheil. Da er den Lexus in der Einfahrt gesehen hatte, war er sich ziemlich sicher, dass zumindest die Eltern zu Hause waren. Seine erste Befürchtung war, dass bei der Verhandlung etwas schiefgegangen sei.
Seine Kleider immer noch vor die Brust haltend, huschte Jack den Flur entlang zu dem bogenförmigen Durchgang, der in den großen Wohn- und Essbereich führte. Er beugte sich durch die Öffnung vor und erwartete, den Raum leer vorzufinden. Zu seiner Überraschung saß die ganze Familie auf dem Sofa versammelt. Es sah aus, als würden sie fernsehen, aber der Fernseher lief nicht.
Jack konnte ihre Gesichter nicht erkennen. Einen Moment lang blieb er reglos stehen, sah zu ihnen hinüber und lauschte. Keiner rührte sich oder sprach ein Wort. Verwirrt trat Jack in den Raum und ging näher. Als er noch ungefähr drei, vier Meter von ihnen entfernt war, rief er zögerlich Alexis’ Namen. Er wollte nicht stören, falls das irgendeine Familienangelegenheit war, aber er konnte auch nicht einfach so wieder gehen.
Craig und Alexis fuhren herum. Craig starrte Jack an. Alexis stand auf. Ihr Gesicht wirkte abgespannt, und ihre Augen waren rot. Etwas stimmte hier nicht. Etwas stimmte ganz und gar nicht.
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Kapitel 15
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Newton, Massachusetts Mittwoch, 7. Juni 2006 19.48 Uhr
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