Crisis
Frage, was der morgige Tag bringen würde. Würde es bei der Exhumierung zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen? Er wusste es nicht, aber alleine bei dem Gedanken daran war er froh über den Revolver. Er fühlte ihn durch den Stoff der Tasche hindurch. Sein Gewicht und seine feste Form gaben Jack Sicherheit, obwohl er wusste, dass die Statistiken genau das Gegenteil belegten. Überzeugt, dass das, was geschehen sollte, geschehen würde, ganz gleich, was er tat, zuckte er die Achseln und ging zurück ins Haus.
Ohne Alexis und die Kinder kam sich Jack fast wie ein Eindringling vor. Nachdem er die Eingangstür geschlossen hatte, war die Stille im Haus beinahe mit Händen zu greifen, obwohl er Craigs und Randolphs gedämpfte Stimmen aus der Bibliothek hören konnte. Er schlenderte in den großen Wohn-Ess-Bereich und öffnete den Kühlschrank. Er war prall gefüllt, und Jack machte sich rasch ein Sandwich. Dann öffnete er ein Bier und nahm beides mit aufs Sofa. Er schaltete den Fernseher ein, und nachdem er die verschiedenen Kanäle überflogen hatte, fand er schließlich eine Nachrichtensendung. Immer noch mit dem Gefühl, ein Fremder in einem anderen Land zu sein, lehnte er sich zurück und begann zu essen.
Als er aufgegessen und einen Großteil des Biers getrunken hatte, hörte er, dass die Stimmen in der Bibliothek lauter wurden. Es handelte sich offensichtlich um eine Meinungsverschiedenheit. Hastig drehte Jack den Fernseher lauter, um nicht zuzuhören. Er verspürte das gleiche Gefühl wie an seinem ersten Abend, als Craig ihn um ein Haar dabei erwischt hätte, wie er in seiner Arzttasche herumschnüffelte. Ein paar Minuten später fiel die Haustür heftig ins Schloss. Kurz darauf kam Craig in den Wohnraum. Er schäumte vor Wut, das erkannte Jack vor allem an der Art und Weise, wie er Eiswürfel in ein altmodisches Glas schleuderte und die Glastür der Vitrine zuknallte. Er schenkte sich einen kräftigen Schuss Scotch ein und kam zum Sofa.
»Darf ich?«, fragte er und deutete neben Jack.
»Sicher«, antwortete Jack und wunderte sich über seine Frage. Er rückte ein Stück zur Seite, schaltete den Fernseher aus und drehte sich so, dass er seinen Gastgeber sehen konnte, der sich, samt Flasche und Glas in der Hand, aufs Sofa fallen ließ.
Craig nahm einen großen Schluck von seinem Scotch und ließ ihn im Mund kreisen, bevor er schluckte. Er starrte unverwandt in den leeren Kamin.
»Wie ist die Probe gelaufen?«, fragte Jack. Er fühlte sich verpflichtet, zu versuchen, ein Gespräch in Gang zu bringen.
Craig lachte höhnisch auf.
»Fühlst du dich bereit?«
»Ich vermute, ich bin so bereit, wie ich nur sein kann. Aber das sagt nicht unbedingt viel aus.«
»Was hat Randolph dir geraten?«
Craig rang sich ein weiteres Lachen ab. »Ach, das Übliche. Ich soll nicht in der Nase bohren, nicht zu laut furzen und den Richter nicht auslachen.«
»Die Frage war ernst gemeint«, entgegnete Jack. »Es interessiert mich wirklich.«
Craig musterte ihn. Die Anspannung wich ein wenig aus seinen Zügen. »Die üblichen Ermahnungen, die ich schon beim Mittagessen erwähnt habe, und vielleicht noch ein paar mehr. Ich soll nicht stottern und nicht an unpassenden Stellen lachen. Das ist doch nicht zu fassen! Tony Fasano wird mich zur Schnecke machen, und ich soll ihn einfach gewähren lassen. Ich darf höchstens verletzt aussehen, auf keinen Fall wütend, damit die Geschworenen Mitleid mit
mir bekommen. Kannst du dir das vorstellen?«
»Ich finde, es klingt vernünftig.«
Craigs Augen verengten sich, als er Jack ansah. »Vielleicht für dich, aber nicht für mich.«
»Ich konnte nicht umhin, die lauten Stimmen zu hören, auch wenn ich nicht verstanden habe, worum es ging. Wart ihr in einem Punkt unterschiedlicher Meinung?«
»Eigentlich nicht«, antwortete Craig. »Er ist mir nur so furchtbar auf den Sack gegangen. Das war natürlich auch seine Absicht. Er hat Fasanos Rolle übernommen. Verstehst du, das Problem ist, wenn ich im Zeugenstand sitze, stehe ich unter Eid, Tony Fasano aber nicht. Das heißt, er kann sich völlig haltlose Beschuldigungen ausdenken und sie mir um die Ohren hauen, und ich soll einfach alles an mir abperlen lassen. Aber das kann ich nicht. Ich wäre sogar Randolph fast an die Gurgel gegangen. Ich bin ein hoffnungsloser Fall.«
Jack sah zu, wie Craig sein Glas leerte und sich einen neuen Drink einschenkte. Er wusste, dass wirklich gute Ärzte wie Craig auf Grund ihres Charakters häufig zu
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