Crisis
unter der Bedingung, dass es in unrenoviertem Zustand übernommen wird. Ich finde, das eröffnet uns doch einige interessante Möglichkeiten. Was meinst du?«
Jack hatte bei der Untersuchung innegehalten, während Laurie sprach, und drehte sich nun zu ihr um. »Hochzeitspläne am Sektionstisch und jetzt Trautes-Heim-Geplauder über dem Darmbecken. Findest du nicht auch, dass das nicht unbedingt der ideale Ort für eine solche Unterhaltung ist?«
»Ich habe erst vor ein paar Minuten davon erfahren und konnte es kaum erwarten, dir davon zu erzählen, damit du anfangen kannst, darüber nachzudenken.«
»Großartig«, sagte Jack und unterdrückte den beinahe unbeherrschbaren Impuls, noch sarkastischer zu werden. »Mission erfüllt. Aber was hältst du davon, wenn wir den Kauf und wahrscheinlich auch die Renovierung eines Hauses bei einem Glas Wein und Rucola-Salat in einem etwas geeigneteren Rahmen besprechen?«
»Das ist eine wunderbare Idee«, antwortete Laurie glücklich. »Wir sehen uns dann zu Hause.«
Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und war verschwunden.
Jack starrte noch ein paar Sekunden die Tür zum Flur an, nachdem diese hinter ihr zugefallen war.
»Ich finde es toll, dass Sie beide heiraten«, sagte Miguel, um das Schweigen zu brechen.
»Danke. Es ist zwar kein Geheimnis, aber es wissen trotzdem nicht alle davon. Ich hoffe, Sie respektieren das.«
»Kein Problem, Dr. Stapleton. Aber aus Erfahrung muss ich Ihnen sagen, dass sich durch eine Hochzeit alles ändert.«
»Wie recht Sie damit haben«, entgegnete Jack. Auch er hatte diese Erfahrung bereits gemacht.
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Kapitel 1
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Acht Monate später
Boston, Massachusetts
Montag, 5. Juni 2006
09.45 Uhr
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Bitte erheben Sie sich«, rief der uniformierte Gerichtsdiener, als er aus dem Richterzimmer kam. Er hielt einen weißen Stab in der Hand.
Gleich hinter dem Gerichtsdiener erschien der in eine wallende schwarze Robe gekleidete Richter. Es war ein korpulenter Afroamerikaner mit hängenden Wangen, ergrauendem krausem Haar und einem Schnurrbart. Sein dunkler, stechender Blick schweifte kurz über sein Reich, während er mit schwungvollem, energischem Schritt die zwei Stufen zum Richtertisch hinaufstieg. Dann drehte er sich zum Saal um, eingerahmt von der amerikanischen Fahne zu seiner Rechten und der Fahne des Bundesstaats Massachusetts zur Linken, beide gekrönt von einem Adler. Bekannt für seine Fairness und fundierte Kenntnis der Gesetze, aber auch für sein aufbrausendes Naturell, war er der Inbegriff unerschütterlicher Autorität. Seine eindrucksvolle Erscheinung wurde zusätzlich durch einen Streifen hellen Morgenlichts hervorgehoben, der durch die Rollos an den Fenstern hereinfiel. Es verlieh seinem Umriss einen goldenen Schimmer wie einem heidnischen Gott in einem klassischen Gemälde.
»Hört her, hört her«, fuhr der Gerichtsdiener in seinem mit Bostoner Akzent gefärbten Bariton fort. »Alle, die Angelegenheiten vor den ehrenwerten Richtern des Superior Court, der nun in Boston und im County Suffolk tagt, vorzutragen haben, mögen näher treten und ihre Anwesenheit kundtun, und sie werden gehört werden. Gott segne den Commonwealth of Massachusetts. Nehmen Sie Platz.«
Wie das Verklingen der Nationalhymne bei einer Sportveranstaltung löste die letzte Anweisung des Gerichtsdieners ein allgemeines Gemurmel aus, als sich alle Anwesenden im Gerichtssaal 314 wieder hinsetzten. Während der Richter seine Unterlagen und einen Wasserkrug auf dem Tisch vor sich zurechtrückte, rief der Gerichtsbeamte, der an einem Tisch direkt unterhalb der Richterbank saß: »Die Erben nach Patience Stanhope und andere gegen Dr. Craig Bowman. Den Vorsitz hat der Ehrenwerte Richter Marvin Davidson.«
Der Richter klappte ein Brillenetui auf und setzte eine randlose Lesebrille auf, die er tief unten auf seiner Nase platzierte. Dann sah er über die Brillengläser hinweg zum Tisch des Klägers hinüber und sagte: »Würden die Anwälte bitte für das Protokoll ihren Namen nennen.« Im Gegensatz zum Gerichtsdiener hatte er keinen Akzent und seine Stimme klang sonor.
»Anthony Fasano, Euer Ehren«, erklärte der Anwalt der Klägerseite eilig und mit einem Akzent, der dem des Gerichtsdieners nicht unähnlich war, während er sich von seinem Stuhl ein wenig erhob, so als trüge er eine schwere Last auf seinen Schultern. »Aber die meisten Leute nennen mich Tony.« Er deutete erst auf seine rechte Seite. »Ich bin hier im Auftrag des Klägers, Mr
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