Crisis
Anwalts, Randolph Bingham, der rechts neben ihm saß.
Ebenfalls auf besondere Anweisung seines Anwalts wahrte Craig einen neutralen Gesichtsausdruck, so schwer ihm dies unter solch demütigenden Umständen auch fiel. Er war belehrt worden, würdevoll, respektvoll (was auch immer das bedeuten mochte) und bescheiden aufzutreten. Er sollte darauf achten, nicht arrogant oder aufgebracht zu erscheinen. Das fiel ihm am schwersten, denn er schäumte vor Wut über die ganze Angelegenheit. Randolph hatte ihm ebenfalls geraten, Sichtkontakt mit den Geschworenen aufzunehmen, ihnen in die Augen zu schauen und sie als Bekannte und Freunde zu betrachten. Craig lachte innerlich voller Hohn, während er den Blick über die potenziellen Geschworenen gleiten ließ. Die Vorstellung, dass diese Leute seinesgleichen sein sollten, war doch ein trauriger Witz. Sein Blick blieb an einer spindeldürren jungen Frau mit strähnigem blondem Haar hängen, hinter dem ihr bleiches Koboldgesicht fast vollständig verborgen war. Sie trug ein übergroßes Patriots-Sweatshirt, dessen Ärmel so lang waren, dass nur ihre Fingerspitzen zu sehen waren, während sie ununterbrochen das Haar vor ihrem Gesicht zur Seite schob, um überhaupt etwas sehen zu können.
Craig seufzte. Die letzten acht Monate waren die Hölle gewesen. Nachdem ihm im vergangenen Herbst die Ladung zugestellt worden war, hatte er ja geahnt, dass eine üble Zeit vor ihm lag, aber alles war noch viel ärger gekommen, als er es sich jemals vorgestellt hätte. Zunächst hatte er unter Eid die schriftlich formulierten Beweisfragen des Klägers beantworten müssen, die jeden Winkel seines Lebens auskundschafteten. Doch so unangenehm diese Fragen auch waren, die unter Eid durchgeführte mündliche Vernehmung durch den gegnerischen Anwalt war schlimmer gewesen.
Craig beugte sich vor, sah zum Tisch des Klägers hinüber und musterte Tony Fasano. Es gab einige Menschen, die er in seinem Leben bisher nicht gemocht hatte, aber noch nie hatte er jemanden so sehr gehasst wie mittlerweile Tony Fasano. Er verabscheute sogar die Art, wie Tony aussah und sich kleidete, seine modischen grauen Anzüge, seine schwarzen Hemden, die schwarzen Krawatten und den klobigen Goldschmuck. In Craigs Augen verkörperte Tony Fasano, der wie die Zweitbesetzung eines schäbigen Mafioso anmutete, perfekt das billige Klischee des modernen, auf Körperverletzung spezialisierten Anwalts, der sich wie ein Aasgeier auf Unfallopfer stürzte und aus dem Unglück anderer Menschen Kapital zu schlagen versuchte, indem er aus reichen, widerstrebenden Versicherungen Millionen herauspresste. Zu Craigs Empörung hatte Tony sogar eine Website, auf der er genau damit prahlte, und dass er dadurch das Leben eines Arztes ruinieren konnte, war ihm vollkommen gleichgültig.
Craigs Blick wechselte zu Randolphs aristokratischem Profil, der gerade konzentriert die Befragung der möglichen Geschworenen verfolgte. Randolph besaß eine leicht hakenförmige Nase mit hohem Rücken, die der von Tony gar nicht so unähnlich war, doch die Wirkung war eine ganz andere. Während Tony einen unter dunklen buschigen Augenbrauen hervor ansah und die nach unten weisende Nase teilweise das tückische Grinsen auf seinen Lippen verdeckte, hielt Randolph seine Nase gerade, vielleicht einen Hauch erhöht, und betrachtete die Menschen um ihn herum mit einem Ausdruck, der von manchen als sanfte Herablassung aufgefasst werden könnte. Und im Gegensatz zu Tonys vollen Lippen, die dieser häufig mit der Zunge befeuchtete, während er sprach, bildete Randolphs Mund eine schmale, präzise, fast lippenlose Linie, und wenn er redete, war seine Zunge beinahe unsichtbar. Mit einem Wort, Randolph war der Inbegriff des erfahrenen, beherrschten Angehörigen der Bostoner Upperclass, der so genannten Brahmanen, während Tony den jugendlichen, dynamischen Spielplatzclown und Rüpel gab. Anfangs war Craig über diesen Gegensatz erfreut gewesen, doch als er nun die potenziellen Geschworenen betrachtete, fragte er sich unwillkürlich, ob Tonys Auftreten sie nicht eher ansprechen und größeren Einfluss auf sie ausüben würde.
Diese neue Sorge trug noch zusätzlich zu Craigs Unbehagen bei.
Und er hatte allen Grund, sich unbehaglich zu fühlen. Trotz Randolphs Beteuerungen lief der Fall nicht gut. Von besonderer Bedeutung war die Tatsache, dass im Kern bereits durch die in Massachusetts vorgeschriebene Kommission, die alle Fälle von Arzthaftung vorab prüfen musste, zu Gunsten
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