Crisis
geschlungen. Ihr Mund war verkniffen wie der einer Bulldogge, und ihre Augen funkelten herausfordernd. Es war nicht schwierig zu erkennen, dass sie nur widerstrebend für den Kläger aussagte, und Tony ließ sie entsprechend vom Richter als unerwartet feindliche Zeugin einstufen.
Am Rednerpult begann Tony in gemächlichem Tempo und versuchte mit der Frau zu scherzen, jedoch ohne Erfolg. Zumindest war das Jacks Eindruck, bis er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Geschworenen richtete. Im Gegensatz zur Zeugin lächelten die meisten von ihnen bei Tonys humorigen Bemerkungen. Plötzlich verstand Jack, was Alexis angedeutet hatte, dass nämlich Tony Fasano über ein besonderes Talent für den Umgang mit Geschworenen verfügte.
Jack hatte Marlenes Aussageprotokoll gelesen. Es hatte nur wenig Bezug zu dem Verfahren, weil sie am Tag von Patience Stanhopes Tod keinen Kontakt mit der Patientin gehabt hatte, da diese nicht in die Praxis gekommen war. Beide Verschlechterungen hatten Hausbesuche notwendig gemacht. Deshalb wunderte es Jack, dass Tony sich so lange mit Marlene befasste und sowohl ihre berufliche Beziehung zu Craig als auch ihr eigenes bewegtes Privatleben in allen Einzelheiten beleuchtete. Da sie und Craig seit fünfzehn Jahren zusammenarbeiteten, gab es reichlich Gesprächsstoff.
Tony behielt seinen scherzhaften Ton bei. Zunächst ignorierte Marlene ihn, doch nach ungefähr einer Stunde ununterbrochener Befragung, die immer mehr den Anschein einer bewussten Verzögerungstaktik annahm, wurde sie allmählich wütend, und ihre Antworten wurden emotional. An diesem Punkt angelangt, spürte Jack ganz richtig, dass Tonys spaßige Art nichts als eine bewusste Strategie war. Er wollte, dass Marlene aus dem Konzept geriet und zornig wurde. Als ahnte er, dass etwas Unerwartetes bevorstand, versuchte Randolph Einspruch zu erheben, die Befragung der Zeugin werde viel zu sehr in die Länge gezogen und sei für das Verfahren unerheblich. Der Richter schien der gleichen Ansicht zu sein, doch nach einer kurzen, unhörbar geführten Unterredung an der Seite des Richtertischs wurde die Befragung fortgesetzt, und schon kurz darauf stieß Tony auf eine Goldmine.
»Euer Ehren, darf ich mich der Zeugin nähern?«, bat er. Er hielt eine Mappe hoch.
»Sie dürfen«, gestattete Richter Davidson.
Tony trat an den Zeugenstand und reichte Marlene die Mappe. »Würden Sie den Geschworenen bitte sagen, was Sie in der Hand halten.«
»Eine Patientenakte aus der Praxis.«
»Und wessen Akte ist das?«
»Patience Stanhope.«
»Nun, da steht eine Nummer auf der Akte.«
»Natürlich steht da eine Nummer auf der Akte!«, blaffte Marlene. »Wie sollten wir sie denn sonst wiederfinden?«
»Könnten Sie sie bitte für die Geschworenen vorlesen«, bat Tony, der Marlenes Mini-Ausbruch einfach ignorierte.
»PP acht.«
»Danke«, sagte Tony. Er nahm die Akte wieder an sich und kehrte ans Pult zurück.
Einige der Geschworenen beugten sich erwartungsvoll nach vorne.
»Mrs Richard, würden Sie den Geschworenen bitte erklären, was die Abkürzung PP bedeutet.«
Wie eine in die Enge getriebene Katze sah Marlene gehetzt durch den Raum, bis ihr Blick einen Moment lang an Craig hängen blieb.
»Mrs Richard«, drängte Tony. »Hallo! Jemand zu Hause?«
»Das sind Buchstaben«, fauchte Marlene.
»Oh, vielen Dank«, entgegnete Tony sarkastisch. »Ich glaube, die meisten Geschworenen haben sie als Buchstaben erkannt. Was ich wissen will, ist, was bedeuten sie? Und erlauben Sie mir, Sie daran zu erinnern, dass Sie vereidigt wurden und eine Falschaussage einen Meineid bedeuten würde, der eine strenge Bestrafung nach sich zieht.«
Marlenes Gesicht, das sich im Laufe ihrer Aussage immer stärker gerötet hatte, verfärbte sich noch dunkler. Selbst ihre Wangen schwollen an, als würde sie sich körperlich anstrengen.
»Wenn es Ihrer Erinnerung auf die Sprünge hilft, will ich Ihnen verraten, dass später noch ausgesagt werden wird, dass Sie und Dr. Craig Bowman sich diese Aktenkennzeichnung ausgedacht haben, die in Ihrer Praxis ansonsten nicht üblich ist. Ich habe hier zwei weitere Patientenakten aus Ihrer Praxis.« Tony hielt zwei andere Mappen in die Höhe. »Die erste gehört Peter Sager, und die Nummer lautet PS eins einundzwanzig. Wir haben speziell diese Akte ausgewählt, weil der Patient die gleichen Initialen hat wie die Verstorbene, doch in ihrer Patientennummer lauten die Buchstaben PP und nicht PS.
Meine dritte Akte wiederum gehört
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