Crisis
und Untertasse ab, griff in seine Seitentasche und zog eine seiner Visitenkarten hervor. Er wartete eine kurze Gesprächspause ab, dann beugte er sich vor und schnippte die Karte mit dem Daumen auf die gläserne Tischplatte.
»Nanu! Was haben wir denn da?«, fragte Jordan, der den Köder sofort schluckte. Er lehnte sich vor und musterte die Karte, ehe er sie aufnahm, um sie genauer zu betrachten. Charlene nahm sie ihm aus der Hand und sah sie sich ebenfalls an.
»Was ist ein Rechtsmediziner?«, wollte sie wissen.
»Das Gleiche wie ein Coroner«, erklärte Jordan.
»Nicht ganz«, entgegnete Jack. »Historisch betrachtet ist der Coroner ein bestellter oder gewählter Leichenbeschauer, dessen Aufgabe darin besteht, die Ursachen von Todesfällen zu ermitteln, und der dazu eine spezifische Ausbildung haben kann, aber nicht muss. Ein Rechtsmediziner hingegen ist ein Arzt mit einer Spezialisierung in forensischer Pathologie.«
»Ich nehme alles zurück«, sagte Jordan. »Sie wollten mir eben erzählen, in welcher Form Sie bei meinem Prozess tätig werden wollen, den ich, das muss ich leider sagen, ausgesprochen langweilig finde.«
»Wieso denn das?«
»Ich dachte, es würde aufregend sein, dabei zuzuschauen, so wie bei einem Boxkampf etwa. Stattdessen ist es so ermüdend, als würde man zwei Leute beim Streiten beobachten.«
»Ich bin mir sicher, dass ich die Auseinandersetzung interessanter gestalten könnte«, entgegnete Jack, der hastig die Gelegenheit ergriff, die Jordans unerwartete Ansicht über den Prozess ihm bot.
»Würden Sie das etwas näher erläutern?«
»Ich mag Ihren Vergleich des Verfahrens mit einem Boxkampf, aber dass dieser Kampf so uninteressant ist, liegt daran, dass den beiden Boxern die Augen verbunden sind.«
»Was für ein drolliges Bild. Zwei Kämpfer, die einander nicht sehen können und blind um sich schlagen.«
»Ganz genau! Und blind sind sie, weil sie nicht über alle Informationen verfügen, die sie benötigen.«
»Welche Informationen benötigen sie denn?«
»Sie streiten über die Behandlung von Patience Stanhope, ohne dass Patience in der Lage wäre, ihre Seite der Geschichte zu erzählen.«
»Und welche Geschichte würde sie erzählen, wenn sie es könnte?«
»Das werden wir erst wissen, wenn ich sie fragen kann.«
»Ich verstehe überhaupt nicht, wovon ihr redet«, klagte Charlene. »Patience Stanhope ist tot und begraben.«
»Ich glaube, er redet davon, eine Autopsie durchzuführen.«
»Genau das ist es.«
»Sie meinen, Sie wollen sie wieder ausgraben?«, fragte Charlene bestürzt. »Igitt!«
»Das ist gar nicht so ungewöhnlich«, entgegnete Jack. »Es ist noch nicht einmal ein Jahr her. Ich garantiere Ihnen, dass wir dadurch etwas erfahren werden, und danach kann der Boxkampf, wie Sie es nennen, bei voller Sicht fortgesetzt werden und wird viel spannender sein.«
»Was denn zum Beispiel?«, fragte Jordan. Er war still und nachdenklich geworden.
»Zum Beispiel welcher Teil ihres Herzens von dem Infarkt betroffen war, wie er sich ausgeweitet hat und ob sie vorher schon einen Herzfehler hatte. Erst wenn diese Punkte geklärt sind, kann man sich der Frage der geeigneten Behandlung zuwenden.«
Jordan kaute auf seiner Unterlippe herum, während er über Jacks Worte nachdachte.
Jack fasste Mut. Er wusste, dass er noch lange nicht am Ziel war, aber Jordan hatte den Gedanken nicht rundweg abgelehnt. Möglicherweise war ihm aber auch nicht klar, dass die Exhumierung nur vorgenommen werden konnte, wenn er seine Einwilligung dazu gab.
»Warum bieten Sie überhaupt Ihre Hilfe an?«, fragte Jordan. »Wer bezahlt Sie?«
»Niemand. Ich kann ehrlich behaupten, dass ich nur den Wunsch habe, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Gleichzeitig befinde ich mich jedoch in einem Interessenkonflikt. Meine Schwester ist mit dem Beklagten, Dr. Craig Bowman, verheiratet.«
Jack suchte gespannt nach Anzeichen für Zorn oder Ärger in Jordans Gesicht, bemerkte aber nichts dergleichen. Er musste es Jordan hoch anrechnen, dass er tatsächlich nüchtern über Jacks Argumente nachzudenken schien.
»Ich bin sehr für Gerechtigkeit«, sagte Jordan nach einer Weile. Sein leichter englischer Akzent war vorübergehend verschwunden. »Aber mir scheint, dass es schwierig für Sie sein dürfte, vollkommen objektiv zu sein.«
»Zugegeben«, entgegnete Jack. »Das ist ein berechtigter Einwand, aber falls ich eine Autopsie durchführen sollte, würde ich alle Proben aufbewahren, so dass die
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