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Cristóbal: oder Die Reise nach Indien

Cristóbal: oder Die Reise nach Indien

Titel: Cristóbal: oder Die Reise nach Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Orsenna
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ihren Wäldern gestützt. Die Insel der Bretonen: Um sich davon zu erholen, dass sie der immer wütenden See trotzen müssen, ist ihnen nichts lieber, als Met zu trinken und am kleinen Finger eingehakt miteinander zu tanzen. Auf der Insel der Griechen könnte man meinen, sie warteten auf die Rückkehr Gottes, weil sie ständig Bernsteinrosenkränze zwischen den Händen halten…
    Und gewiss gibt es noch weitere Inseln, die meiner Aufmerksamkeit entgangen sind, weil sie aus zu wenigen Bewohnern bestehen oder in zu gut verborgenen Winkeln liegen.
    Jede dieser Inseln bildet ein Universum mit eigener Sprache, eigener Küche, eigener Art, Gott zu preisen, die Kinder zu verheiraten, die Toten zu bestatten.
    Wie es klimatische Verhältnisse gibt, die für bestimmte Pflanzen schädlich, wenn nicht gar tödlich sind und für andere gedeihlich, so war die Atmosphäre von Lissabon zu jener Zeit, als ich die Stadt kannte, in höchstem Maße zuträglich für die menschliche Gattung. Viele Männer und Frauen fanden hier ein für ihreExistenz förderliches Terrain, während es ihnen überall sonst in Europa verboten war zu leben.
    Du fragst, wie ich, der Nomade, der in seinem restlichen Leben so viel herumgekommen ist, nie geruht hat und immer auf dem Absprung war, mich mit einer einzigen Stadt begnügen und so sehr von ihr zehren konnte, mit einem so vollkommenen Sättigungsgrad, dass ich nie auf den Gedanken gekommen wäre fortzugehen und noch immer dort leben würde, wenn Cristóbal mich nicht fortgerissen hätte. Ich war ständig unterwegs von einer Festlandsinsel zur nächsten, einen Tag bei den Arabern, am nächsten bei den Juden…
    Sobald ich aus der Werkstatt kam, entschied ich mich, wohin ich gehen wollte, und mit wenigen Schritten war ich in einer anderen Welt. Diese Navigation ist der von Seeleuten ebenbürtig: Sie erfordert weniger Zeit, birgt aber auch Gefahren und schafft ebenso viele Anlässe zum Staunen.
    Oh, Beichtvater!
    Wer die Beichte abnimmt, offenbart sich ebenso sehr wie der Beichtende.
    Ich kenne dich.
    Wenn in deinen Augen dieser Glanz aufblitzt, heißt das, dass dich von Neuem deine fleischliche Begierde übermannt. Du brennst darauf, mich nach dem wahren Grund für diese frenetische Erkundung Lissabons zu fragen. Ich höre diese schwache Stimme in dir. Ich weiß nicht, durch welches Wunder des Willens es dir gelingt, sie still zu halten, ich aber höre, wie sie mich anfleht, dir in allen Einzelheiten davon zu erzählen – jenen Einzelheiten, ohne die ein gewissenhafter Priester keine Absolution erteilen kann: Wo liegt die Sünde, wenn nicht in den Einzelheiten der Art, wie jede der Frauen von jeder dieser Inseln liebt?
    Bartolomeo lächelt und wählt dabei unter allen Arten zu lächeln jene, die den Schreiber, den lieben kleinen Hieronymus, am meisten auf die Folter spannt. Im Grunde besteht dieses Meisterwerk des Lächelns aus drei Teilen.
    Einem Lächeln der Anerkennung: Freilich bin ich auf der Jagdnach möglichst vielen verschiedenen Tändeleien durch die Stadt und von Insel zu Insel gerannt.
    Einem Lächeln der Erinnerung: Oh, wie diese Djamila mit ihrem Hintern wackeln konnte! Und wie könnte ich diesen Duft nach frischem Brot bei jener Frau vergessen, die sich, glaube ich, Gerta nannte und deren Schamhaar so blond war, dass man die kleinen Lippen hindurch sah wie durch klares Wasser? Usw., usw.
    Schließlich einem alten, weisen Lächeln: An dieser Stelle höre ich mit meinen geilen Berichten auf; der Beichtende gewinnt nichts, wenn er seinen Beichtvater irre macht, nicht wahr?
    Ich setze also meine Spaziergänge fort.
    Eines Abends befand ich mich zufällig bei Anbruch der Nacht auf den Anhöhen der Stadt, nicht weit entfernt von der Kathedrale. Von diesem Aussichtspunkt aus sah ich weiter unten große Menschenmassen in Bewegung. Männer und Frauen hasteten umher, die einen in die eine, die anderen in die andere Richtung. Neben mir stand ein alter Mann und betrachtete ebenfalls das merkwürdige Schauspiel. Ich fragte ihn nach dem Grund für dieses Hin und Her, und warum es genau um diese Uhrzeit stattfand.
    «Woher kommt Ihr? Die Araber kehren in die Araberstadt, die Juden in die Judenstadt zurück. Bis zur Ausgangssperre ist nur noch wenig Zeit. Deshalb haben sie es eilig.»
    «Das ist mir noch nie aufgefallen.»
    «Weil Ihr Christ seid. Ihr müsst Euch nicht beeilen.»
    «Und morgen?»
    «Werden wieder alle in derselben Stadt wohnen.»
    Dabei fällt mir mein Vater ein, Domenico.
    Wenn ihm das

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