Cristóbal: oder Die Reise nach Indien
Zugvögel, und einmal triumphierte die Nase über beide Augen: Ah, wie die Küste duftete, bevor man sie sah.
Es war einmal der Zauber des Meeres.
«Man muss wissen, was man will», sagte Ursula-das-linke-Ohr zu ihren Kunden, auch wenn sie seit langer Zeit ihre immergleiche Antwort kannte: «Warum wollt ihr wieder in See stechen?»
«Es ist so öde auf dem Festland.»
Meine beiden Dominikaner strahlen. Nie sind wir bessere Freunde gewesen. Auf dem Weg zur Tür meines Alcazar habe ich ihnen angekündigt, dass ich bei unserer nächsten Sitzung endlich, endlich von der Ankunft Cristóbals erzählen werde.
Las Casas misst mich mit dem Blick.
«Bis hier ist dein Bericht schön und gut. Doch was nützt er mir, um den Wahnsinn der Menschen zu erklären? Keine Spur von Grausamkeit bisher. Hast du die Dinge auch so geschildert, wie sie waren? Oder hat dich deine Liebe zu Lissabon geblendet?»
Ich habe auf diesen Augenblick gewartet. Ich habe meine Antwort vorbereitet.
«Manche Eroberungen waren gewalttätig, ich leugne es nicht. Und das Einsammeln und anschließend der Transport der Sklaven erfordern Zwangsmittel. Aber Afrika ist so groß! Und Asien noch größer. Portugal dagegen ist so klein, so wenig bevölkert, es konnte nur eine Schramme hinterlassen, ohne großes Leid anzurichten. Die Spanier, die viel stärker und zahlreicher sind, haben ihre Reisen und ihre Begehrlichkeit auf Gebiete gerichtet, die erheblich kleiner waren.»
Heuchelei, Doppelzüngigkeit, Aberglaube, Geltungssucht, Hass auf die menschliche Freiheit, Verachtung für alle, die nicht so intelligent sind wie sie (das heißt für die ganze Welt)… die Dominikaner haben alle nur denkbaren Fehler. Doch eine Eigenschaft muss man ihnen zugute halten: Sie wollen mit aller Leidenschaft verstehen.
Las Casas und Hieronymus richten einen so scharfen, so durchdringenden Blick auf mich, dass er mir fast begehrlich vorkommt. Ich erröte und fahre fort:
«Es ist gewiss nur Einbildung, das Alter neigt dazu, die Jugendjahre zu verklären, doch mir scheint, dass das Streben nach schnellem Gewinn nicht der Hauptantrieb für die portugiesischen Seeleute war, nach Süden vorzudringen. In Lissabon lag vor allen Dingen etwas in der Luft, das ich Curiositas, Neugier, nenne.»
«Was meinst du mit Curiositas?»
Oh, Ihr Dominikaner! Nehmt Euch noch einmal Eure geliebten Wörterbücher vor. Ich brauche Euch doch wohl nicht zu sagen, dass das lateinische Wort
curiositas
von
cura
kommt, was so viel heißt wie «Heilung», «Pflege». Der Neugierige ist ein Arzt, er pflegt die Welt.
II
Das Fieber
I ch habe mich wieder an das genaue Datum der Seeschlacht erinnert: den 13. August 1476. Fünf Schiffe aus Genua, beladen mit griechischem Mastix, waren auf dem Weg nach Flandern und England, als sie vor dem Cabo de São Vicente von einer mindestens dreizehn Schiffe starken französisch-portugiesischen Flotte angegriffen wurden. Die ganze Nacht über wurden an der Küste Dutzende von Leichen Ertrunkener oder Verstümmelter angespült.
Es war die Nachricht des Tages. Sie kam gerade rechtzeitig, um die Gespräche beim Abendessen zu würzen.
«Was für ein Mahl für die Krabben!»
«Ein Hoch auf uns Kartographen! Durch unsere Fehler mögen Schiffe versinken, hoho, aber wir saufen nie ab!»
In den folgenden Tagen erreichten Überlebende Lissabon, die von der Brutalität der Kämpfe erzählten. Warum hätte ich ihnen mehr Aufmerksamkeit schenken sollen als anderen Schreckensgeschichten? Jeder mordete jeden in Europa.
Eines Abends meldete mir ein Kamerad, dass ein alter Mann mich zu sehen wünsche:
«Er wartet an der Tür zur Werkstatt; er sieht todkrank aus und spricht Genueser Dialekt.»
Widerwillig erhob ich mich von meiner Arbeit, die darin bestand, ich erinnere mich, drei üble Riffe vor der Küste der Bretagne einzuzeichnen.
Ich erkannte ihn nicht auf Anhieb.
Der Mann drehte mir den Rücken zu. Er schien etwas zu suchen. Sein Blick fiel auf einen vollen Wassereimer, der dort immer stand für den Fall, dass es brannte. Er ergriff ihn und goss ihn über seinem Kopf aus. Das Alter des Besuchers war nur das Salz, das sein Haar verklebte: Das Wasser spülte es fort.
Und wie in einem Märchen erschien ein junger Mann. Mit flammendem Schopf, so rot wie der Sonnenuntergang.
Mein Bruder Cristóbal.
Ich stürzte in seine Arme.
Er sagte nur drei Worte:
«Ich bin geschwommen.»
Dann brach er, von Erschöpfung übermannt, zusammen und fiel
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