Cromwell, Bernard
warum sie ständig beschäftigt werden müssen. Wie viele Söhne hat
Lengar?«
»Sieben«, gab Neel Auskunft, der Hohepriester.
»Dann sollen die Speerkämpfer sie der Reihe nach töten«,
entschied Camaban.
Lewydd protestierte. »Sie sind doch noch Kinder«, sagte
er, »und wir sind nicht hierher gekommen, um das Land in Blut zu ertränken!«
Camaban runzelte die Stirn. »Wir sind hierher gekommen,
um dafür zu sorgen, dass Slaols Wille geschehe, und es ist nicht Slaols Wille,
dass Lengars Kinder am Leben bleiben. Wenn du ein Vipernnest findest, tötest du
dann die ausgewachsenen Schlangen und lässt die Jungen leben?« Er zuckte die
Achseln. »Mir gefällt das ebenso wenig wie dir, mein Freund, aber Slaol hat in
einem Traum zu mir gesprochen.«
Lewydd blickte zu Haragg hinüber, in der Hoffnung, von dem
hünenhaften Mann Unterstützung zu bekommen; aber Haragg erklärte, dass der Tod
der Jungen wahrscheinlich notwendig sei, wenn der neue Clanführer sicher sein
sollte. »Es hat nichts mit den Göttern zu tun«, fügte er hinzu.
»Es hat alles mit den Göttern zu tun!«, widersprach Neel.
Er war ein eifriger Anhänger von Lengar gewesen, hatte seine Treue jedoch über Nacht
auf Camaban übertragen. »Slaol hat letzte Nacht auch mit mir im Traum
gesprochen«, behauptete er, »und Camabans Entscheidung ist weise.«
»Da bin ich aber erleichtert«, sagte Camaban spöttisch,
dann blickte er Gundur an, vom dem es hieß, er sei der beste Krieger von
Ratharryn. »Kümmere dich um diese Maßnahme«, befahl Camaban, und wenige Augenblicke
später hörte man die verzweifelten Schreie der Mütter, als Lengars Söhne
weggezerrt wurden. Sie wurden zu dem Ringgraben innerhalb des Schutzwalls geführt
und dort getötet, ihre Leichen an die Schweine verfüttert. »Es war Slaols
Wille«, schrie Neel verzückt.
»Es ist Slaols Wille, dass Haragg der neue Hohepriester
ist.«
Neel zuckte zusammen, als hätte Camaban ihn geschlagen;
dann öffnete er den Mund, um zu protestieren, aber es kam kein Laut heraus.
Erst starrte er Camaban an, dann Haragg, der nicht minder erschrocken dreinblickte.
Haragg fand als Erster seine Sprache wieder. »Ich habe mein Priesteramt schon
vor Jahren niedergelegt«, sagte er milde.
»Und ich bin Hohepriester!«, beklagte Neel sich schrill.
»Du bist nichts«, wies Camaban ihn zurecht, »du bist sogar
noch weniger als nichts. Du bist Schleim unter einem Stein und wirst in die
Wälder gehen - sonst begrabe ich dich lebendig in den Kotgruben.« Er zeigte
mit einem knochigen Finger auf den südlichen Wall, um Neel klar zu machen, dass
er jetzt ein Geächteter war. »Geh!«, befahl er. Neel wagte es nicht, noch
irgendetwas hinzuzusetzen, sondern gehorchte stumm. »Er war ein schwacher
Mann«, sagte Camaban, als Neel gegangen war, »und ich brauche einen starken
Hohepriester.«
»Ich bin kein Priester«, widersprach Haragg beharrlich.
»Ich gehöre ja nicht mal zu eurem Stamm.«
»Du gehörst zu Slaols Stamm«, erwiderte Camaban, »und du
wirst unser Hohepriester sein!«
Haragg holte tief Luft und starrte über die Krone des
Schutzwalls hinweg, während er an ferne Orte, Meeresklippen, wilde Urwälder,
fremde Stämme und all die vielen unerforschten Wege in der Welt dachte, die er
noch nie bereist hatte. »Ich bin kein Priester«, wiederholte er stur.
»Was willst du dann?«, fragte Camaban ihn. »Ein Land, in
dem die Menschen Gutes tun«, sagte Haragg stirnrunzelnd, während er sich seine
Worte überlegte, »wo sie so leben, wie es dem Willen der Götter entspricht.
Ein Land ohne Krieg, ohne Hass und Gemeinheit.«
»Du redest wie ein Priester«, reizte Camaban ihn. »Die
Menschen sind schwach«, erläuterte Haragg, »und die Forderungen, die die Götter
an uns stellen, groß!«
»Dann mach uns stärker!«, forderte Camaban nachdrücklich.
»Wie sollen wir die Götter auf die Erde holen, wenn wir schwach sind? Bleib
hier, Haragg, und hilf uns, den Tempel zu bauen, hilf uns, achtbar zu sein! Ich
möchte dich als meinen Priester haben und Aurenna als meine Priesterin.«
»Aurenna!«, rief Saban überrascht. Camaban heftete seinen
grüblerischen Blick auf Saban. »Du glaubst, Slaol hat Aurennas Leben verschont,
damit sie deine Kinder in die Welt setzen kann? Du willst, dass sie nichts
weiter als eine trächtige Sau ist? Ein Mutterschaf mit geschwollenem Euter? Du
glaubst, es war nur dafür, dass wir das Unwetter in Sarmennyn heraufbeschworen
haben?« Er schüttelte den Kopf. »Es genügt nicht, sich
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