Cromwell, Bernard
Sohn von Hengall, Sohn von
Lock!« Er warf den Ball in das Gras hinter dem Grab. Camaban lächelte abermals,
und einen Moment lang sah es so aus, als wollte er vorwärtsstürzen und den Ball
aufheben; aber Gilan ermahnte ihn flüsternd, sich ruhig zu verhalten, und der
Junge gehorchte.
Hirac trat über das Grab hinweg. »Camaban«, rief er, »Sohn
von Hengall, Sohn von Lock, ich übergebe dich Lahanna! Dein Fleisch wird ihr
Fleisch sein, dein Blut ihr Blut und dein Geist ihr Geist. Camaban, Sohn von
Hengall, Sohn von Lock, ich verstoße dich aus dem Stamm und überlasse dich der
Göttin. Ich vernichte dich!« Mit diesen Worten hob er den Kindstöter hoch über
seinen Kopf.
»Nein!«, ertönte plötzlich eine furchterfüllte Stimme, und
der ganze Stamm fuhr erstaunt herum zu Saban, der da geschrien hatte. Der Junge
schien selbst entgeistert zu sein, denn er schlug sich hastig die Hand vor den
Mund, aber sein Kummer um den Halbbruder war aufrichtig. »Nein«, wisperte er
hinter vorgehaltener Hand. »Bitte nicht!«
Hengalls Miene verfinsterte sich, aber Galeth legte Saban
tröstend einen Arm um die Schultern. »Es muss geschehen«, flüsterte er seinem
Neffen zu.
»Er ist mein Bruder«, protestierte Saban.
»Es muss sein!«, beharrte Galeth.
»Ruhe!«, knurrte Hengall, und Lengar, der mürrisch und
verdrossen gewesen war, seit er am vergangenen Morgen die Demütigung erlitten
hatte, lächelte schadenfroh, als er sah, dass sein jüngerer Bruder nun
ebenfalls bei ihrem Vater in Ungnade gefallen war.
»Camaban«, rief Hirac, »Sohn von Hengall, Sohn von Lock,
ich übergebe dich Lahanna!« Erzürnt über Sabans Unterbrechung, ließ er nun die
gewaltige Knochenkeule niedersausen, sodass ihr ockerrotes Ende den Kreideball
in unzählige Stücke zerschmetterte. Er zerstampfte die Bruchstücke zu Staub,
und die zuschauende Menge wehklagte, als Camabans Geist auf diese Weise ausgelöscht
wurde. Lengar grinste, während Hengall keinerlei Gefühlsregung erkennen ließ.
Galeth zuckte zusammen, und Saban schluchzte, aber sie mussten sich fügen. Dies
war eine Angelegenheit der Götter und Priester.
»Wie lautet der Name des Jungen?«, verlangte Hirac zu
wissen.
»Er hat keinen Namen«, antwortete Gilan. »Wer ist sein
Vater?«, fragte Hirac. »Er hat keinen Vater«, sagte Gilan. »Zu welchem Stamm
gehört er?«
»Er hat keinen Stamm«, intonierte Gilan. »Er existiert
nicht.«
Hirac starrte in Camabans grüne Augen. Er sah keinen
Jungen mehr, denn der Junge war bereits tot, sein Lebensgeist zerschmettert und
zu weißem Staub zertreten. »Knie nieder«, befahl er.
Der Junge kniete sich gehorsam hin. Einigen im Stamm
erschien es etwas seltsam, dass ein so großer Junge mit dem Auerochsenknochen
erschlagen werden sollte; aber im Gegensatz zu Saban bedauerten nur wenige in
Ratharryn Camabans Tod. Krüppel brachten Unglück, deshalb löschte man Krüppel
besser aus, zu welchem Zweck Hirac jetzt den Kindstöter erneut hochhob, sich
einmal kurz vor Lahanna verneigte und seinen Blick dann auf Camaban heftete.
Der Hohepriester spannte seine Muskeln an, um dem Jungen den tödlichen Schlag
zu versetzen, aber dazu sollte es nicht kommen. Hirac stand wie erstarrt da,
und auf seinen Zügen erschien plötzlich ein Ausdruck des Entsetzens - dieses
Entsetzen verstärkte sich noch, weil sich in diesem Moment ein Riss in den
Wolken auftat, die Slaol bedeckten, und ein Strahl von Sonnenlicht schräg in
den Tempel fiel. Ein Rabe setzte sich auf einen der höchsten Tempelpfeiler und
krächzte laut.
Der Kindstöter in Hiracs Händen zitterte, aber er war unfähig,
mit der schweren Waffe zuzuschlagen.
»Töte ihn«, flüsterte Gilan beschwörend, »töte ihn!« Aber
Gilan stand hinter Hirac, und er konnte nicht das sehen, was Hirac sah. Gebannt
starrte Hirac auf Camaban, der die Zunge herausgestreckt hatte, und auf dieser
Zunge lagen zwei Rauten aus Gold. Fremdländisches Gold. Slaols Gold.
Der Rabe schrie abermals, und Hirac blickte zu dem Vogel
auf, während er sich fragte, was seine Anwesenheit zu bedeuten hatte.
Camaban ließ die beiden kleinen Goldrauten wieder in seiner
Backentasche verschwinden, befeuchtete einen Finger und tauchte ihn in die zu
Staub zertretene Kreide seiner Seele. »Slaol wird zornig sein, wenn du mich tötest«,
sagte er zu Hirac, ohne dabei zu stottern, dann leckte er die Kreide von seiner
Fingerspitze. Er sammelte mehr von dem Staub, scharrte seinen zerschmetterten
Geist zu einem Häufchen zusammen und aß
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