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Cromwell, Bernard

Cromwell, Bernard

Titel: Cromwell, Bernard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stonehenge
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war der Einzige, der
sich nicht bewegte. Zu seinen Füßen lagen Geschenke für die Göttin: eine
Steinkeule, ein Bronzebarren und ein fremdländischer Krug mit seinem
typischen, in den feuchten Ton eingedrückten Bandmuster. Die Priester, die nicht
auf den Feldern arbeiteten und keine Ziegen oder Rinder züchteten, würden diese
Geschenke behalten und gegen Nahrung eintauschen.
    Die Stammesmitglieder tanzten, bis ihre Beine müde waren,
bis sie sich fast in einem Trancezustand befanden, erzeugt durch das
hypnotische Dröhnen der Trommeln und ihren eigenen monotonen Gesang. Sie riefen
wieder und wieder Lahannas Namen, während die Kehrerinnen, die alle Geister
vertrieben hatten, die die Zeremonie zu stören versuchen könnten, ihre
Eschenzweige fallen ließen und ein eintöniges Lied anstimmten, um die Mondgöttin
anzurufen. Schau uns zu, sangen sie, sieh, was
wir dir bringen, schau uns zu, und in ihren Stimmen schwang
Glückseligkeit mit, denn das Geschenk würde der Göttin Freude bereiten.
    Hirac tanzte mit geschlossenen Augen. Schweiß rann in
Strömen über seinen Körper, zog schmale Streifen durch die Kreidemuster auf
seiner Haut, und es schien, als würde er in seiner Ekstase in das frisch
ausgehobene Grab stürzen; aber plötzlich hielt er vollkommen reglos inne,
öffnete die Augen wieder und heulte abermals den Mond an, der noch immer als
eine bleiche Scheibe zwischen den weißen Wolken erkennbar war.
    Stille senkte sich über den Tempel. Die Tänzer verlangsamten
ihre Schritte und blieben dann stehen; das Lied an Lahanna verhallte, kein
Trommelschlag ertönte mehr, und Neel ließ die Schwanenknochenflöte verstummen.
    Erneut heulte Hirac auf, dann streckte er die rechte Hand
aus und ergriff den Kindstöter. Der Priester mit der Schädelstange trat dicht
hinter den Hohepriester, damit die Ahnen sehen konnten, was geschah.
    Gilan schubste Camaban vorwärts. Niemand erwartete, dass
der Junge bereitwillig gehen würde, aber zur Überraschung der Menge hinkte der
nackte Junge anstandslos und ohne zu zögern auf das offene Grab zu - der Stamm
stieß einen kollektiven Seufzer der Erleichterung aus. Es war in jedem Fall
besser, wenn das Opfer willig war, selbst wenn diese Willigkeit auf Dummheit
beruhte.
    Camaban blieb neben seinem Grab stehen, und zwar genau an
der Stelle, wo er stehen sollte, und Hirac lächelte gezwungen, um jegliche
Ängste zu beschwichtigen, die der Junge haben könnte. Blinzelnd blickte Camaban
zu dem Priester auf, schwieg jedoch. Er hatte den ganzen Tag kein einziges Wort
gesprochen, nicht einmal, als die Frauen mit ihren langzinkigen Kämmen an den
Kletten in seinem Haar gezerrt und ihm wehgetan hatten. Er lächelte gelassen.
    »Wer spricht für den Jungen?«, verlangte Hirac zu wissen.
    »Ich«, knurrte Hengall vom Tempeleingang.
    »Wie ist sein Name?«
    »Camaban«, antwortete Hengall.
    Hirac legte eine Pause ein, verärgert darüber, dass die
Regeln des Rituals nicht eingehalten wurden. »Wie ist sein Name?«, rief er
abermals, diesmal lauter.
    »Camaban«, sagte Hengall und fügte dann nach einem Moment
hinzu: »Sohn von Hengall, Sohn von Lock.«
    Eine Wolke verhüllte die Sonne und warf einen Schatten auf
den Tempel. Einige Stammesmitglieder berührten ihre Lenden, um Unheil
abzuwehren; aber andere bemerkten, dass Lahanna noch immer am Himmel sichtbar
war.
    »Wer hat das Leben von Camaban, Sohn von Hengall, Sohn
von Lock?«, verlangte Hirac zu wissen.
    »Ich«, sagte Hengall und öffnete einen Lederbeutel, der an
seinem Gürtel hing, um einen kleinen Kreideball herauszunehmen. Er gab ihn
Neel, der ihn zu Hirac brachte.
    Der Ball, nicht größer als ein Augapfel, war das Symbol
des Lebens, das bei der Geburt eines Kindes gefertigt und später, wenn das Kind
das Erwachsenenalter erreicht hatte, wieder zerstört wurde; bis dahin besaß der
Ball die Seele des Kindes. Starb das Kind, konnte der Ball zu Staub zermahlen
und der Staub mit Wasser oder Milch vermischt und dann getrunken werden, sodass
der Geist des Kindes in einen anderen Körper überging. Falls das Kind
verschwand, von bösen Geistern geraubt oder von einem fremdländischen
Jägerverband, der auf der Suche nach Sklaven war, konnte der Ball neben einem
Tempelpfeiler vergraben werden, damit die Götter dem vermissten Kind Schutz
gewährten.
    Hirac nahm den Ball, rieb ihn an seinen Lenden und hob ihn
dann hoch in die Luft in Richtung des Mondes. »Lahanna!«, schrie er. »Wir
bringen dir ein Geschenk! Wir schenken dir Camaban,

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