Cromwell, Bernard
seltsam warm. Der Nebel löste sich allmählich auf, und ein plötzlicher Regenschauer
ließ die Leute zu ihren Hütten zurückstürmen; aber als der Regen nachließ,
spannte sich ein prachtvoller Regenbogen am westlichen Himmel. Ein Ende dieses
Regenbogens stieß genau auf den Tempel herab, und die Leute kletterten auf den
hohen Wall, um über das gute Zeichen zu staunen.
Die Wolken verzogen sich langsam nach Norden, um einen
blassen, durchsichtigen Himmel zu hinterlassen. Gegen Mittag hatten sich
Hunderte von Leuten aus Dutzenden von Stämmen auf dem Grasland um den Tempel
herum versammelt, und obwohl es eine große Anzahl von Met gab, betrank sich
keiner. Einige tanzten, einige sangen, und dazwischen spielten die Kinder;
aber niemand wagte sich über den Ringgraben und die Tempelwälle vor, bis auf
ein Dutzend Männer, die die zwischen den Steinen grasenden Rinder wegtrieben
und dann die Dunghaufen im Inneren des geheiligten Kreises beseitigten. Die
Leute standen vor dem flachen äußeren Wall und betrachteten andächtig die
Steine, die prachtvoll aussahen, hoch aufragend, und mit ihren klaren, ehernen
Linien etwas Erhabenes und Mysteriöses ausstrahlten. Viele gratulierten Saban,
und er musste wieder und wieder die Geschichten von der Erbauung des Tempels
erzählen: wie sich einige Pfeiler als zu kurz erwiesen hatten; wie er die
Decksteine hinaufgehoben hatte und wie viel harte, mühselige Arbeit und Schweiß
in jedem einzelnen Stein steckten.
Der Wind legte sich, und die Luft wurde seltsam still und
unbewegt, was die Atmosphäre gespannter Erwartung noch verstärkte. Die Sonne
hatte ihren höchsten Punkt mittlerweile überschritten und sank am südlichen
Himmel; noch immer erschien keine Prozession aus Ratharryn, obwohl einige Leute
sagten, dass sich Tänzerinnen und Musiker um den Tempel von Mai und Arryn zu
versammeln begannen. Saban führte Lewydd durch den Sonneneingang des Tempels
und erklärte ihm, wie die Steine in ihre Gruben versenkt und dann zum Himmel
aufgerichtet worden waren. Liebkosend strich er mit der Hand über den
Mutterstein, der einzige Findling aus Sarmennyn, der in dem Kreis verblieben
war; dann hob er ein paar Gesteinssplitter auf, die noch im Gras um Haraggs
Gebeine verstreut lagen. Der Regen hatte das Blut des letzten Opfers
weggewaschen, und der Tempel war von einem frischen, süßen Duft erfüllt. Lewydd
blickte an dem Torbogen des Sonnenhauses hinauf, und ihm fehlten offenbar die
Worte. »Er ist .«, stotterte er, war jedoch unfähig, den Satz zu beenden.
»Er ist wunderschön«, übernahm Saban das Wort. Jeden
einzelnen Stein kannte er. Er wusste, welcher besonders schwierig aufzustellen
gewesen und welcher mühelos an seinen Platz geglitten war. Dann wies er auf die
Stelle, wo ein Sklave von einer Plattform gestürzt war und sich ein Bein
gebrochen hatte und wo ein anderer von einem Stein zerquetscht worden war, als
der Block zum Formen hatte umgedreht werden müssen. Aber er wagte zu hoffen,
dass alles Leid und alles Elend des Lebens mit diesem Tag enden würden, an dem
Slaol sich in seinem neuen Heim niederließ.
Plötzlich rief jemand, dass die Priester kämen, und Saban
schob Lewydd eilig aus dem Tempel. Sie drängten sich durch die Menschenmenge
und sahen endlich die Prozession von der Siedlung heraufkommen.
Ein Dutzend Tänzerinnen bewegten sich an der Spitze des
Festzugs, während sie mit blattlosen Eschenzweigen den Boden fegten; hinter
ihnen kamen Trommler und weitere Tänzerinnen, dann folgten die Priester, die
ihre nackten Körper mit Kreidemustern bemalt hatten und Hirschgeweihe oder
Widderhörner auf dem Kopf trugen. Den Schluss der Prozession bildete ein großer
Verband von Kriegern, alle mit Fuchsruten im Haar und mit federgeschmückten
Speeren bewaffnet. Saban hatte bisher noch nie erlebt, dass zu einer
Tempelweihe Waffen mitgebracht wurden; aber er nahm an, dass nichts an diesem
Abend so wie sonst sein würde, denn das klumpfüßige Kind war im Begriff, die
Welt in Ordnung zu bringen.
Einer der sich nähernden Priester trug die Schädelstange
des Stammes, und Saban sah den weißen Totenschädel auf und nieder hüpfen,
während die Priester die Geister beschwichtigten. Sie beteten an der Stelle, wo
ein Mann aus heiterem Himmel tot umgefallen war, wehklagten zu dem Bärengott,
wo ein großer Bär ein Kind zerfleischt hatte, und hielten dann bei den Gräbern
an, um den Ahnen zu berichten, welch ein Fest an diesem Tag in Ratharryn
begangen würde. Der Anblick des
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