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Cromwell, Bernard

Cromwell, Bernard

Titel: Cromwell, Bernard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stonehenge
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wandte sich Lallic zu. Lächelnd hob er die Hände
unter seinem weiß befiederten Umhang und löste behutsam das Band am
Halsausschnitt ihres Kleides. Sie zitterte leicht, und ein gedämpftes Wimmern
entrang sich ihrer Kehle. »Du wirst auf eine Reise gehen«, beruhigte Camaban
sie, »aber es wird keine lange Reise sein, und du wirst Slaol von Angesicht zu
Angesicht begrüßen und dann wieder zurückkehren, um uns seine Botschaft zu
überbringen.«
    Lallic nickte; Camaban schob das Hirschlederhemd über ihre
Schultern herab und ließ sie zu Boden fallen, sodass sich ihr nackter weißer
Körper als zitternde Schattenriss gegen das Grau des Sonnensteins abhob. »Er kommt«,
flüsterte Camaban und zog dabei ein Bronzemesser mit einem hölzernen Heft, das
mit tausend kleinen goldenen Nägeln beschlagen war, unter seinem Umhang
hervor. »Er kommt«, murmelte er abermals und drehte sich halb zu den Steinen
um; in diesem Augenblick schien die Sonne durch den höchsten Torbogen des
Tempels, um einen Strahl von blendend hellem Licht auf den Sonnenstein zu
werfen. Dieser Lichtstrahl, schmal und grell und leuchtend, glitt über den
Deckstein auf der gegenüberliegenden Seite des Himmelsrings, durch den höchsten
Bogen und unter dem nächsten Deckstein hindurch, um auf Lallic zu treffen, die
am ganzen Körper bebte, als Camaban das Messer hob. Die Bronzeklinge blitzte im
Sonnenlicht auf.
    »Nein!«, schrie Saban wieder, und die Speerkämpfer
drückten ihm ihre scharfen Waffen in den Nacken, während die Menschen den Atem
anhielten.
    Aber das Messer bewegte sich nicht.
    Die Menge wartete. Der Lichtstrahl würde nicht mehr lange
anhalten. Er wurde bereits schmaler, während die Sonne immer tiefer am
Horizont hinter dem Tempel sank; Camaban stand jedoch noch immer vollkommen
reglos da, das Messer in der hoch erhobenen Hand, und Saban sah, dass seine
Hand zitterte. Lallic schlotterte vor Angst an allen Gliedern, und irgendjemand
zischte in Richtung Camaban, endlich mit der Klinge zuzustoßen, bevor die Sonne
verschwunden war; aber genauso wie Hirac damals bei dem Anblick der Goldrauten
auf Camabans Zunge wie gelähmt gewesen war, so stand auch Camaban jetzt
vollkommen versteinert da.
    Denn die Toten gingen um.
    Die Toten wandelten, genau wie Derrewyn es versprochen
hatte.
    Am Ende der heiligen Straße stand eine kleine Gruppe von
Leuten. Niemand hatte eine Bemerkung über ihre Anwesenheit gemacht, weil alle
dachten, sie seien Zuspätkommende, die der Zeremonie beiwohnen wollten; aber
die Leute waren auf dem tiefer gelegenen Gelände geblieben, als Aurenna die
Geschichte der Welt anstimmte. Jetzt löste sich eine einzelne Gestalt aus der
Gruppe und kam den geheiligten Pfad zwischen den Kreidewällen herauf. Sie ging
langsam, zögernd, und es war der Anblick dieser Gestalt, der Camaban mitten in
der Bewegung hatte erstarren lassen. Nach wie vor war er unfähig, sich zu
rühren, konnte nur wie gebannt auf die Frau starren, die jetzt in den langen
Schatten des Tempels trat. Sie war in einen Umhang aus Dachsfellen gehüllt und
hatte sich einen wollenen Schal wie eine Kapuze über ihr langes weißes Haar
geschlungen - und die Augen, die unter der Kapuze hervorspähten, waren bösartig
und schlau und Furcht einflößend. Sie ging langsam, denn sie war alt, so uralt,
dass keiner ihre Jahre wusste. Sie war Sannas und gekommen, um sich ihre Seele
zurückzuholen. Auf einmal schrie Camaban sie an, sie solle verschwinden. Das
Messer in seiner Hand zitterte.
    »Jetzt!«, rief Aurenna aus dem Tempel. »Jetzt!« Aber
Camaban war gelähmt. Entsetzt starrte er Sannas an, die zu dem Sonnenstein kam.
Dann lächelte sie, und in ihrem Mund war nur noch ein einziger Zahn. »Hast du
meine Seele sicher aufgehoben?«, fragte sie ihn mit einer Stimme, so brüchig
wie Gebeine, die seit Generationen in den dunklen Herzen ihrer Grabhügel
ruhten. »Ist meine Seele sicher, Camaban?«, fragte sie.
    »Töte mmmich nicht, bbbbitte töte mich nicht«, flehte
Camaban. Die alte Frau lächelte erneut, dann schlang sie ihm die Arme um den
Hals und küsste ihn. Die Menschenmenge starrte entgeistert auf das Bild; viele
von ihnen erkannten die alte Frau, und sie berührten ihre Lenden - zitternd vor
Furcht. In dem Moment stieß Lewydd plötzlich die beiden zu Tode erschrockenen
Speerkämpfer zur Seite, die Saban zu Boden gedrückt hielten, und Saban rappelte
sich hastig auf, riss einem der Krieger den Speer aus der Hand und rannte zu
dem Sonnenstein, wo der letzte Strahl

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