Cromwell, Bernard
erblickte stattdessen Saban. »Wo bist du
gewesen?«, verlangte Camaban zu wissen.
»In der Siedlung«, erklärte Saban, während er auf seine
lichterloh brennende Hütte starrte. Die wenigen Habseligkeiten, die er besaß,
waren alle darin. Seine Waffen, Kleider und Töpfe. »Es ist nicht notwendig, die
Sklaven zu töten«, widersprach er.
»Ich entscheide, was notwendig ist!«, schrie Camaban. Er
hob sein blutbeschmiertes Schwert. »Was ist hier passiert?«, bedrängte er
Saban. »Was ist passiert?«
Saban ignorierte die bedrohliche Schwertklinge. »Sag du es
mir«, erwiderte er kalt.
»Ich? Ich soll dir sagen, was hier passiert ist?« Camaban
hielt sein Schwert weiterhin drohend erhoben. »Was weiß ich denn von alledem?«
»Hier geschieht nichts, Bruder, was du nicht befohlen
hast. Dies ist dein Tempel, dein Traum, dein Werk!« Saban versuchte, seinen
wachsenden Zorn zu beherrschen. Er blickte auf den flackernden roten
Widerschein der Flammen, der die Steine berührte und im Inneren des Tempels ein
zitterndes Gewirr von miteinander verschmelzenden Schatten erzeugte. »Dies ist
alles dein Werk, Bruder«, grollte er, »ich habe hier nichts getan außer dem,
was du mir aufgetragen hast.«
Camaban starrte ihn schweigend an, und Saban dachte, das
Schwert würde jeden Moment auf ihn niedersausen, denn in den Augen seines
Bruders flackerte ein schrecklicher Wahnsinn; aber dann brach Camaban unversehens
in Tränen aus. »Es muss Blut
fließen!«, schluchzte er. »Keiner von euch begreift das! Selbst Haragg wollte
das nicht einsehen! Es muss Blut fließen!«
»Der Tempel schwimmt bereits darin«, schnaubte Saban.
»Warum braucht er immer noch mehr?«
»Es muss Blut fließen! Wenn kein Blut da ist, wird der
Gott nicht kommen. Dann beachten uns die Götter nicht!«, schrie Camaban. Die
Männer beobachteten ihn mit entsetzten Mienen, denn er krümmte und wand sich
jetzt wie in unerträglichen Krämpfen. »Ich will die Blutopfer nicht«, seine
Stimme überschlug sich, »aber die Götter wollen sie. Wir müssen ihnen Blut
geben, sonst werden sie uns nichts geben! Gar nichts! Und keiner von euch
versteht das!«
Saban schob das Schwert weg, dann legte er seinem Bruder
die Hände auf die Schultern. »Als du zuerst von dem Tempel geträumt hast«,
sagte er ruhig, »war kein Blut im Spiel. Es ist nicht notwendig, Blut zu
vergießen. Der Tempel lebt bereits!«
Camaban blickte zu ihm auf, einen Ausdruck der Verwirrung
auf seinem schwarz gestreiften Gesicht. »Er lebt?«
»Ich fühle es deutlich«, versicherte Saban ihm. »Er lebt.
Und die Götter werden dich belohnen, wenn du die Sklaven gehen lässt.«
»Das werden sie tun?«, fragte Camaban unsicher und
furchterfüllt.
»Ja!« Saban nickte feierlich. »Sie werden dich dafür
belohnen! Ich verspreche es dir.«
Camaban lehnte sich an Saban und schluchzte wie ein Kind
an seiner Schulter. Saban tröstete ihn, bis Camaban sich schließlich wieder
aufrichtete. »Alles wird gut werden?«, fragte er schluchzend und schniefend.
»Alles wird gut werden«, bestätigte Saban. Camaban öffnete den Mund, als ob er
etwas sagen wollte, dann klappte er ihn wieder zu und marschierte einfach
wortlos davon. Saban blickte ihm einen Moment nach und stieß einen
abgrundtiefen Seufzer aus, dann ging er zum Tempel und benachrichtigte Gundur,
dass die restlichen Sklaven am Leben bleiben durften. »Aber lauft weg«, empfahl
er den Leuten. »Lauft sofort los und lauft weit!«
Gundur spuckte in die Schatten der Steine. »Er ist
wahnsinnig!«
»Das ist er schon immer gewesen«, pflichtete Saban ihm
bei, »schon von dem Tag an, als er verkrüppelt auf die Welt kam. Und wir haben
bei seinem Wahnsinn mitgemacht.«
»Aber was passiert, wenn der Tempel geweiht wird?«, fragte
Gundur. »Wohin wird seine Tollheit dann noch führen?«
»Es ist diese Sorge, die tatsächlich alles verschlimmert«,
fand auch Saban. »Aber wir sind ihm nun schon so weit gefolgt, dass wir ihm
wenigstens die nächsten beiden Nächte noch zugestehen können.«
»Wenn die Toten nicht auferstehen«, sagte Gundur grimmig,
»dann werden sich die anderen Stämme wie Wölfe auf uns stürzen.«
»Achtet deshalb darauf, dass eure Speere geschärft sind«,
riet Saban ihm.
Der Wind drehte in der Nacht, wehte den Rauch nach Norden
und brachte heftige Regenfälle mit, die die Feuer löschten und den letzten Rest
Steinstaub von dem Tempelkreis wuschen. Als der Himmel kurz vor Sonnenaufgang
aufklarte, wurde eine Eule gesehen, die über
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