Cromwell, Bernard
war das Leben doch gewesen, als sein Vater noch Mai, Arryn, Slaol
und Lahanna verehrt hatte und die Götter noch keine solch maßlosen Forderungen
gestellt hatten. Aber da war dann noch das Gold ins Spiel gekommen und mit ihm
Camabans Eifer, die Welt zu verändern.
»Bist du krank?«, fragte Mereth besorgt, weil Saban so
blass und abgespannt aussah.
»Ich bin müde«, erklärte Saban, »nur müde«, und er lehnte
sich gegen die Wand der Hütte, als die Leute das Lied von Camabans Sieg über
Rallin sangen. Er lauschte dem Chor, dann lächelte er, als Mereth'
fremdländische Frau ein Lied aus Sarmennyn anstimmte. Es war die Ballade von
einem Fischer, der ein Meeresungeheuer gefangen hatte und den ganzen weiten
Weg bis zum Strand mit dem Tier in den hohen Wellen kämpfte - was Saban wieder
an die Jahre erinnerte, die er an den Ufern von Sarmennyns Fluss gelebt hatte.
Mereth' Ehefrau sang in ihrer Muttersprache, und die Leute aus Ratharryn
hörten ihr mehr aus Höflichkeit denn aus Interesse zu; lebhaft hatte Saban die
glücklichen, unbeschwerten Tage in Sarmennyn vor Augen, als Aurenna noch nicht
danach strebte, eine Göttin zu sein, sondern solche große Freude an dem Bau der
Boote und dem Transport der Steine gehabt hatte. Gerade dachte er daran, wie
Leir damals schwimmen gelernt hatte, als aus der Dunkelheit plötzlich laute Rufe
ertönten. Saban fuhr zum Hütteneingang herum, wo er eine große Gruppe von
Speerkämpfern nach Süden auf ein rotes Leuchten am Horizont zurennen sah. Er
starrte auf die Glut am Himmel, und einen verrückten Moment lang glaubte er,
der gewaltige Feuerschein bedeutete, dass die Steine selbst in Flammen
stünden; dann rief er Mereth zu, dass etwas Merkwürdiges im Tempel vorginge,
und hastete in die Nacht hinaus.
Derrewyn - es konnte niemand anders gewesen sein - hatte
die hohen Stapel aus Feuerholz und Schlittenbalken in Brand gesteckt, die für
die Tempelweihe bereit standen. Und sie hatte noch mehr getan - denn als Saban
die heilige Straße erreichte, sah er, dass auch die Sklavenhütten brannten.
Seine eigene Hütte brannte ebenfalls lichterloh, und die prasselnden, hoch
auflodernden Flammen beleuchteten die Tempelsteine, ließen sie wundervoll in
der Dunkelheit wirken.
Dann schrie ein Krieger, dass die Sklaven verschwunden
seien.
Oder vielmehr die meisten. Ein paar, die zu große Angst
gehabt hatten, davonzulaufen, oder nicht dem Gerücht glauben wollten, das
Kilda den ganzen Tag über eifrig verbreitet hatte, kauerten neben dem
Sonnenstein - aber der Rest war über Derrewyns Pfad aus Licht nach Süden
geflohen. Saban stieg auf den Hügel südlich des Tempels; dort entdeckte er den
Pfad, der aus in den Boden gerammten Fackeln bestand und deren Flammen einen
Fluchtweg in die Sicherheit kennzeichneten. Die Fackeln brannten jetzt nur noch
schwach, während sie sich in einer gewundenen Linie über die Hügel schlängelten,
um sich schließlich zwischen den Bäumen jenseits des Totenhauses zu verlieren.
Der Pfad aus Licht lag verlassen da, denn die Sklaven waren längst entwischt.
Inzwischen, dachte Saban, werden sie schon tief in den Wäldern sein, und noch
während er hinschaute, begannen die rußenden Fackeln eine nach der anderen zu
verlöschen.
Camaban tobte wie ein Wilder inmitten der allgemeinen
Verwirrung und Bestürzung. Er schrie nach Wasser, um den Brand zu löschen; aber
der Fluss war zu weit entfernt, und die Feuer loderten viel zu heftig.
»Gundur!«, brüllte er, »Gundur!«, und als der Krieger zu ihm kam, befahl
Camaban, dass jeder Speerkämpfer und jeder Jagdhund in Ratharryn auf die
Verfolgung der Flüchtenden angesetzt werden sollten. »Und in der Zwischenzeit
bringt die Übrigen dort in den Tempel und tötet sie.« Er wies mit seinem
Schwert auf die Hand voll Sklaven, die zurückgeblieben waren.
»Wir sollen sie töten?«, fragte Gundur.
»Töten, jawohl!«, schrie Camaban und ging mit abschreckendem
Beispiel voran, indem er einen Mann niederschlug, der gerade zu erklären
versuchte, was in der Nacht passiert war. Der Mann, ein Sklave, der im Tempel
geblieben war, weil er Dankbarkeit erwartet hatte, blickte einen Moment
verblüfft drein, dann fiel er auf die Knie, während Camaban blindwütig mit
seinem Schwert auf ihn einhackte. Camaban war über und über mit dem Blut des
Mannes bespritzt, als er endlich von seinem Opfer abließ; dann schaute er sich
- seine Blutgier noch längst nicht gestillt - nach einem anderen Sklaven um,
den er niedermetzeln konnte, und
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