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Cromwell, Bernard

Cromwell, Bernard

Titel: Cromwell, Bernard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stonehenge
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an, und einen schrecklichen Moment lang erwiderte sie seinen Blick
direkt und unverwandt; der Junge zuckte zusammen, weil ihm die Augen, die aus
den Schatten der Kapuze hervorstarrten, böswillig, schlau und Furcht einflößend
erschienen. Sie war alt, das wusste Saban, älter noch, als jemals irgendein
Mann oder eine Frau vor ihr geworden war.
    Kital und Hengall knieten nieder, um mit Sannas zu
sprechen. Die Trommler, die auf große ausgehöhlte Baumstämme schlugen,
trommelten ohne Unterlass, und eine Gruppe von Mädchen, alle nackt bis zur
Taille und mit Hundsrosen, Mädesüß und Mohnblüten im Haar, tanzten dazu,
während sie sich hin und her wiegten, sich mit schleifenden Schritten zur Seite
bewegten, sich im Kreis drehten und vor und zurück tanzten, um die Fremden
willkommen zu heißen, die in ihren großen geheiligten Tempel gekommen waren.
Die meisten der Besucher gafften die Mädchen mit offenem Mund an, aber Galeth
blickte auf die Steinsäulen und empfand eine immense Traurigkeit. Kein Wunder,
dass Cathallo so stark war! Kein anderer Stamm konnte mit einem Tempel wie
diesem hier aufwarten; deshalb konnte auch kein anderer Stamm darauf hoffen,
die Gunst der Götter zu erringen so wie diese Leute. Ratharryn, dachte Galeth
bedrückt, ist nichts im Vergleich zu dem hier; seine Tempel waren lachhaft,
seine Ambitionen kümmerlich.
    Saban beobachtete die Zauberin, und offensichtlich war
Sannas ganz und gar nicht erfreut über die Nachricht, die Hengall brachte,
denn sie wandte sich mit einer schroffen Geste von ihm ab. Hengall blickte
Kital an, der nur die Achseln zuckte, doch dann fuhr Sannas erneut zu ihm
herum und fauchte etwas, bevor sie sich zu einer Hütte begab, die in der Nähe
des inneren Steinkreises stand. Hengall erhob sich und kehrte zu Saban zurück.
»Du sollst in Sannas' Hütte gehen. Und vergiss nicht, was ich dir gesagt habe!«
    Saban, der sich nur zu deutlich bewusst war, dass er von
beiden Stämmen beobachtet wurde, eilte zu der Hütte, die zwischen den beiden
kleineren Steinkreisen stand und die einzige Behausung innerhalb des Tempels
war. Es handelte sich um eine Rundhütte, ein bisschen größer als die meisten
Behausungen, mit einem hohen, spitz zulaufenden Dach, aber einer so niedrigen
Wand, dass Saban sich auf alle viere niederlassen musste, um durch den Eingang
zu kriechen. Im Inneren war es ziemlich dunkel, weil durch die Tür oder durch
das Rauchabzugsloch oben im Dach kaum Licht fiel, das durch einen dicken
Pfosten gestützt wurde. Dieser Pfosten war ein entrindeter Baumstamm, aus dem
jedoch noch die kurzen Strünke seiner vielen Äste ragten, und von den Stümpfen
hingen Netze herab, gefüllt mit menschlichen Schädeln. Lautes Gekicher
erschreckte Saban, und er blickte sich nervös in der Hütte um, wo ein Dutzend
Gesichter aus dem Halbdunkel hervorspähte. »Kümmere dich nicht um sie«, wies
Sannas ihn mit rauer, gedämpfter Stimme an. »Komm her!«
    Die Zauberin hatte auf einem Stapel von Fellen neben dem
Stützpfeiler Platz genommen, und Saban kniete pflichtschuldigst vor ihr nieder.
Ein kleines Feuer schwelte in der Nähe des Pfostens und verbreitete in der
dunklen Hütte einen beißenden, durchdringend riechenden Rauch, der Saban die
Augen tränen ließ, als er respektvoll den Kopf beugte.
    »Sieh mich an!«, fauchte Sannas.
    Er blickte zu ihr auf. Sie musste so alt sein, dass keiner
wusste, wie alt sie wirklich war, nicht einmal sie selbst - so uralt, dass sie
schon zu den Alten gehörte, als die nächstälteste Person in Cathallo gerade
erst geboren wurde. Einige behaupteten, dass Sannas niemals sterben könnte,
dass die Götter ihr ein Leben ohne Tod geschickt hätten, und der von heiliger
Scheu erfüllte Saban war überzeugt, dass das stimmte; denn er hatte noch nie
zuvor ein Gesicht gesehen, das so schrumpelig war, so ungeheuer faltig und
grausam. Sie hatte ihre Kapuze abgenommen, ihr offenes Haar war schlohweiß und
strähnig, hing über ein Gesicht, das einem Totenschädel glich, allerdings einem
Totenschädel mit Warzen. Die Augen in dem Schädel funkelten jettschwarz, und
sie hatte nur noch einen Zahn, einen gelben Schneidezahn in der Mitte ihres
Oberkiefers. Ihre Hände ragten wie gekrümmte Klauen aus den Säumen ihres
Dachsfellumhangs hervor. An ihrem dürren Hals schimmerte Bernstein; für Saban
sah es aus, als ob eine Gemme an einem ausgetrockneten Leichnam festgesteckt
worden wäre.
    Während Sannas ihn anstarrte, blickte Saban, dessen Augen
sich allmählich an

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