Cromwell, Bernard
einige lernten einen Teil,
manche einen anderen - dann kamen sie zusammen, und alles fügte sich zu einem
harmonischen Ganzen. Viele der Frauen weinten beim Tanzen, denn das Lied war
ein Klagegesang. Am Tag vor der Eheschließung von Slaol und Lahanna hatte sich
der Sonnengott mit seiner Braut gestritten und sie verlassen; aber die Frauen
lebten in der Hoffnung, dass Slaol schließlich nachgeben und wieder zu seiner
Liebsten zurückkehren würde.
Gilan beaufsichtigte die Arbeit, wobei er manchmal
innehielt, um dem Lied der Frauen zuzuhören, und zwischendurch den Männern
half, das Gestrüpp und das Unkraut auszugraben. Ein paar der Haselnusssträucher
hatten sich zu regelrechten Bäumen ausgewachsen, und ihre Wurzeln mussten erst
mit Geweihstöcken gelockert werden, bevor sie sich aus der Erde ziehen ließen.
Die Bäume konnten nicht einfach abgehackt werden, weil die Stümpfe neu
austreiben würden; deshalb musste man die größeren Bäume mitsamt ihren Wurzeln
aus dem Boden reißen und die Wurzellöcher mit kreidehaltigem Steinschutt aus
dem Tempelgraben füllen. Der Ochsenschädel, den Camaban in der Mitte des
Tempels aufgestellt hatte, wurde im Graben versenkt, seine Hütte aus
geflochtenen Zweigen entfernt; man grub das Unkraut aus, schnitt das Gras mit
Feuersteinmessern und verbrannte das Grünzeug. Der Rauch von den Feuern störte
die Tänzerinnen, sodass sie sich vom Tempel fortbewegten, während die Männer
den Graben und den inneren Wall weiterhin säuberten, bis der ringförmige
Schutzwall um das Heiligtum wieder in seinem ursprünglichen Kreideweiß
schimmerte.
Die alten morschen Holzpfeiler, die so dicht im Sonneneingang
und um das Totenhaus herum gestanden hatten, wurden ins Feuer geworfen. Einige
der Tempelpfeiler waren riesig gewesen und ihre Überreste tief im Boden
verankert; deshalb hackten sie diese in Bodenhöhe ab und ließen ihre
störrischen Stümpfe zum Vermodern zurück. Nachdem alles Unkraut und Gestrüpp,
alle Bäume und Holzpfeiler beseitigt waren, tanzten die Männer zu dem
mitreißenden Rhythmus des Liedes der Frauen um den großen kreisförmigen Platz.
Der Tempel war wieder freigelegt, sauber. Er bestand jetzt aus einem niedrigen
grasbewachsenen Wall, einem Graben sowie einem hohen Wall — das alles umschloss
einen leeres Rund.
In der Abenddämmerung kehrte der Stamm nach Ratharryn
zurück. Galeth war einer der Letzten, die sich auf den Rückweg machten, und auf
der Kuppe des Hügels oberhalb der Siedlung blieb er stehen, um sich umzudrehen
und noch einmal einen Blick auf ihr Werk zu werfen. Das dichte Gewirr von
Haselnusssträuchern, das die Horizontlinie im Süden unterbrochen hatte, war
verschwunden, sodass sich dort jetzt nur noch die Grabhügel der Ahnen wölbten;
und vor diesen Grabhügeln lag der Tempelkreis, der sich weiß von der dunklen Hügelflanke
abhob und in dem dämmrigen Licht zu leuchten schien. Der Wall warf lange
Schatten, und Galeth bemerkte zum allerersten Mal, dass der ringförmige
Kreidewall auf einer schrägen Ebene stand, sodass er sich leicht in die
Richtung neigte, wo am Tag der Sommersonnenwende die Sonne aufging.
»Es sieht wunderschön aus«, sagte Lidda, Galeth' Ehefrau.
»Ja, das ist wahr«, pflichtete er ihr bei. Natürlich würde
der praktische, bärenstarke und tüchtige Galeth die Steine aufstellen müssen,
und er versuchte sich vorzustellen, wie die acht großen Felsblöcke in dem
gesäuberten Rund aus Kreide und Gras aussähen. »Slaol wird erfreut sein«, sagte
er.
In jener Nacht ertönte Donnergrollen, aber es gab keinen
Regen. Nur Donner, weit in der Ferne; und in der Dunkelheit starben zwei Kinder
des Stammes. Beide waren krank gewesen, obwohl niemand damit gerechnet hatte,
dass es so schlimm um sie stand.
Am Morgen ging die Sonne auf, um den frisch gesäuberten
Kreidewall zum Leuchten zu bringen, und die Götter, so glaubten die Leute,
lächelten wieder auf Ratharryn herab.
Derrewyn war noch keine Frau; aber es war sowohl in
Ratharryn als auch in Cathallo Brauch, dass verlobte Mädchen bei der Familie
ihres zukünftigen Ehemannes leben sollten. Deshalb kam Derrewyn nach Ratharryn,
um in der Hütte von Hengalls ältester noch lebender Ehefrau zu wohnen.
Ihre Ankunft versetzte den Stamm in Unruhe. Es mochte zwar
noch ein Jahr dauern, bevor sie zur Frau wurde, doch ihre Schönheit war früh
erblüht, und die jungen Krieger starrten sie mit unverhohlener Sehnsucht und
Begierde an, denn Derrewyn aus Cathallo war ein Mädchen, das
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