Cromwell, Bernard
versammelt, die schweigend zuschaute.
Sabans Füße waren so aneinander gekettet, dass er gehen, aber nicht rennen
konnte; sein Kopf war kahl geschoren, und jetzt trat Haragg hinter ihn und
schlitzte sein Gewand mit seinem Messer auf. Dann zog er Saban das
Kleidungsstück von den Schultern, sodass er nackt dastand. Als Letztes schnitt
er die Kette aus Meeresmuscheln um Sabans Hals durch, zertrat die Muscheln dann
mit seinem riesigen Fuß auf dem Boden und steckte das Bernsteinamulett ein, das
ein Geschenk von Sabans Mutter gewesen war. Jegar lachte höhnisch, und Lengar
applaudierte.
»Du bist jetzt mein Sklave«, sagte Haragg ausdruckslos,
»um ganz nach meiner Laune zu leben oder zu sterben. Folge mir.«
Saban, seine Demütigung komplett, humpelte ihm nach.
Lengar fürchtete die Götter. Er verstand sie nicht, aber
er wusste, was in ihm selbst vorging, und er wusste auch, dass die Niedertracht
der Götter noch weitaus schlimmer sein konnte als alles, was Menschen
auszuhecken im Stande waren; deshalb fürchtete er sie und achtete sorgfältig
darauf, sie so weit zu besänftigen, wie es ihm möglich war. Er gab den
Priestern Geschenke; er vergrub symbolische Kreideäxte in sämtlichen Tempeln
von Ratharryn; und er ließ Hengalls hinterbliebene Ehefrauen leben und
versprach ihnen sogar, sie nicht verhungern zu lassen.
Der Geist seines Vaters war im Begriff, ins Jenseits zu
reisen, wo er mit den Ahnen und den Göttern leben würde; aber er würde ohne
Unterkiefer und ohne rechten Fuß dorthin ziehen, damit Hengall im Jenseits
weder von seiner eigenen Ermordung erzählen, noch — falls sein Geist
erdgebunden blieb — Lengar verfolgen konnte. Der abgeschlagene Unterkiefer und
der Fuß wurden an die Schweine verfüttert, aber dem Rest des Leichnams zollte
man Respekt. Hengall wurde auf einem großen Scheiterhaufen nach Art der
Fremdländischen verbrannt. Drei Tage nach Hengalls Tod entzündete man das Feuer
und ließ es drei weitere Tage brennen; erst dann wurde ein Hügel aus
Kreidebrocken und Erdreich auf den glühenden Kohlen aufgehäuft.
In der Nacht, als der Grabhügel aufgeschüttet wurde,
kniete Lengar oben auf der Kuppe und beugte den Kopf zu dem kreidehaltigen
Steinschutt hinunter. Er war allein, denn er wollte nicht, dass irgendjemand
Zeuge seines Gesprächs mit seinem Vater wurde. »Du musstest sterben«, erklärte
er Hengall, »weil du zu vorsichtig warst. Du warst ein guter Clanführer, aber
jetzt braucht Ratharryn einen großen, kühnen Mann.« Lengar hielt einen Moment
inne. »Ich habe deine Ehefrauen nicht getötet«, fuhr er fort, »und sogar Saban
lebt noch. Er war immer dein Liebling, nicht? Ja, er lebt, Vater, er lebt noch
immer.«
Lengar war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee gewesen
war, Saban am Leben zu lassen; aber Camaban hatte ihn davon überzeugt, dass es
fatale Folgen haben würde, wenn er seinen Halbbruder tötete. Camaban hatte sich
zu Lengar nach Sarmennyn begeben, nicht mehr der stotternde Idiot, den Lengar
immer verachtet hatte. Stattdessen war er ein Zauberer geworden, und Lengar
merkte, dass er sich in Camabans Gegenwart seltsam nervös fühlte. »Hengalls Tod
würden dir die Götter vielleicht noch verzeihen«, hatte Camaban zu ihm gesagt,
»aber nicht Sabans«; als Lengar den Grund dafür zu erfahren verlangte, hatte
Camaban behauptet, in einem Traum mit Slaol gesprochen zu haben. Schließlich
hatte Lengar sich der Botschaft des Traumes gefügt. Er bereute es zwar halb und
halb, aber fürchtete Camabans Zauberkräfte. Wenigstens hatte Camaban vorgeschlagen,
dass Saban Haraggs Sklave werden sollte, und Lengar war sich ziemlich sicher,
dass die Sklaven dieses Giganten nicht sonderlich lange lebten.
Lengar lehnte seine Stirn an die Kuppe des Grabhügels.
Die Erde und die Kreidebrocken waren nur lose auf den Überresten des Feuers
aufgehäuft worden, und der Rauch der schwelenden Kohlen drang noch immer durch
den Hügel, um Lengar in den Augen zu brennen - aber er hielt den Kopf weiterhin
pflichtschuldigst gesenkt. »Du wirst stolz auf mich sein, Vater«, prahlte er
dann, »weil ich Ratharryn erheben und Cathallo erniedrigen werde. Ich werde
ein großer Clanführer sein und ...« Er verstummte abrupt, als er plötzlich
Schritte hörte.
Die Schritte ertönten ganz in seiner Nähe und kamen
unerbittlich näher; dann waren sie auf dem Hügel selbst zu hören, und obwohl er
seinem Vater den Fuß abgehackt hatte, überfiel Lengar plötzlich eine panische
Angst, dass es sich
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