Cromwell, Bernard
du, Saban war aufrichtig, als er gestern Abend vor mir
niederkniete? Dir vertraue ich, Onkel, aber ihm? Er würde mich im Handumdrehen
töten. Er denkt an nichts anderes, seit er in diese Hütte gekommen ist, ich
habe doch Recht, nicht wahr, Saban?« Er lächelte, aber Saban starrte nur
wortlos in die von eintätowierten Hörnern umrahmten Augen seines Bruders.
Lengar spuckte auf den Boden. »Nimm ihn mit, Haragg!«
Haragg beugte sich vor, umfasste Sabans Arm mit einer
großen Pranke und zog ihn auf die Füße. Saban, zutiefst gedemütigt und
verzweifelt, riss das kleine Messer aus seinem Gürtel und holte wild damit
nach dem Riesen aus; doch Haragg blieb völlig gelassen, packte lediglich sein
Handgelenk und drückte so fest zu, dass Sabans Hand plötzlich ganz taub und
kraftlos war. Das Messer fiel zu Boden. Haragg hob die Klinge auf, dann zerrte
er Saban aus der Hütte.
Haraggs Sohn, der Taubstumme, der sogar noch größer als
sein gigantischer Vater war, wartete draußen. Er nahm Saban in Empfang und warf
ihn zu Boden, während sein Vater wieder in Lengars Hütte ging; und Saban
lauschte, als Lengar dem Riesen das Versprechen abnahm, den neuen Sklaven
unter keinen Umständen entkommen zu lassen. Saban spielte mit dem Gedanken,
sofort einen Fluchtversuch zu unternehmen; aber der Taubstumme ragte drohend
über ihm auf, und dann ließ ihn ein plötzliches Heulen und Wehklagen herumfahren:
er sah, wie Morthor von seiner Ehefrau aus Gilans alter Hütte geführt wurde.
Fremdländische Krieger spornten das Paar mit Speerspitzen an, sich zum Nordeingang
von Ratharryn zu bewegen.
»Morthor!«, schrie Saban, dann keuchte er entsetzt auf,
denn als sich der Hohepriester von Cathallo zu ihm umwandte, sah Saban, dass
Morthor die Augen ausgestochen worden waren. »Hat Lengar das getan?«
»Das hat Lengar getan«, röchelte Morthor. Sein Arm hing
schlaff herab, und seine Schulterwunde, aus der der Pfeilschaft herausgezogen
worden war, war dick mit Blut verkrustet, und sein Gesicht nichts als eine
erschütternde Maske. Er wies auf seine blutigen Augenhöhlen. »Das ist Lengars
Botschaft an Cathallo«, krächzte er, dann schubsten ihn die Speerkämpfer
weiter.
Saban schloss die Augen, als könnte er auf diese Weise
den grauenhaften Anblick von Morthors Gesicht aus seiner Erinnerung verdrängen,
und dann sah er in Gedanken wieder Derrewyn vor sich, nackt, schutzlos und am
ganzen Körper zitternd - seine Schultern zuckten, als er seine Tränen zu
unterdrücken versuchte.
»Heul du nur, Kleiner!« Eine höhnische Stimme ertönte
über ihm, und Saban öffnete die Augen, um Jegar neben sich aufragen zu sehen.
Jegar war in Begleitung von zwei von Lengars Freunden gekommen, die jetzt ihre
Speere auf Saban richteten, und einen Moment lang dachte er, sie hätten die
Absicht, ihn zu töten, doch die Speere dienten lediglich dem Zweck, ihn auf dem
Boden festzunageln. »Na los, heul schon«, forderte Jegar ihn abermals auf.
Saban starrte zu Boden, dann überlief ihn ein Schauder,
weil Jegar begonnen hatte, auf ihn zu urinieren. Die beiden Speerkämpfer
lachten schallend, und als Saban versuchte, mit einem Ruck zur Seite
auszuweichen, benutzten sie abermals ihre Speerspitzen, um ihn festzuhalten,
sodass der Urin über sein Haar spritzte. »Lengar wird Derrewyn heiraten«, sagte
Jegar, während er auf Sabans Kopf pinkelte, »aber wenn er sie satt hat, und er
wird sie früher oder später satt haben, hat er sie mir versprochen. Und weißt
du auch, warum, Saban?«
Letzterer gab keine Antwort. Die beißende Flüssigkeit
tropfte von seinem Haar, lief an seinem Gesicht herunter und sammelte sich
zwischen seinen Knien in einer Pfütze, während der Taubstumme mit einem Ausdruck
leichter Verwirrung auf seinem breiten Gesicht zuschaute.
»Weil«, fuhr Jegar fort, »ich seit dem Tag, als Lengar
nach Sarmennyn ging, für ihn hier in Ratharryn Augen und Ohren offen gehalten
habe und ihn über alles informiert habe, was hier passiert ist. Woher hat er
gewusst, dass er gestern Abend zurückkommen musste? Weil ich es ihm gesagt
habe. Nicht wahr?« Seine letzte Frage war an Lengar gerichtet, der gerade aus
seiner Hütte trat, um die Demütigung seines Bruders zu beobachten.
»Du bist wirklich en treuer Freund, Jegar«, bestätigte
Lengar.
»Und ein Freund, der eine verstümmelte rechte Hand hat.«
Plötzlich bückte Jegar sich und packte Sabans Hand. »Gib mir ein Messer!«,
befahl er Lengar. »Lass ihn los«, befahl Haragg.
»Ich habe noch eine
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