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Cromwell, Bernard

Cromwell, Bernard

Titel: Cromwell, Bernard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stonehenge
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der heulende Seewind konnte vollkommen den
Blutgestank eines Tieres vertreiben, das vor nicht langer Zeit im Tempel
geopfert worden war. »In Sarmennyn haben wir einen ganz ähnlichen Tempel wie
diesen«, erläuterte Haragg leise, »und wir nennen ihn den Meerestempel, obwohl
er nichts mit Dilan zu tun hat.« Dilan, das wusste Saban inzwischen, war der Meeresgott
von Sarmennyn. »Unser Meerestempel blickt jedoch nicht der aufgehenden Sonne
entgegen«, fuhr Haragg fort, »sondern ist nach der Stelle hin ausgerichtet, wo
sie am Tag der Sommersonnenwende untergeht, und wenn meine Stimme etwas gälte,
würde ich ihn abreißen. Ich würde die Steine aus dem Boden hieven und ins Meer
werfen. Den ganzen Tempel zerstören.« Er sprach mit ungewöhnlicher Härte.
    »Die Sonnenbraut?«, fragte Saban zaghaft.
    Haragg nickte. »Sie stirbt im Meerestempel.« Er schloss
einen Moment lang die Augen. »Sie geht in den Tempel, herausgeputzt mit Ereks
Gold, und dort wird sie nackt ausgezogen - genauso wie eine Braut zu ihrem
Ehemann geht - und in den Tod geschickt.« Haragg schlang die Arme um die Knie,
und Saban konnte Tränen in seinen Augen sehen; aber vielleicht lag das auch
nur an dem stürmischen Wind, der die weiße Gischt aufpeitschte und die
kreischenden Vögel über den Himmel wirbelte. Saban verstand jetzt, warum Haragg
zu dieser Landzunge gekommen war — weil er von hier aus in den endlos weiten
Himmel über der See blicken konnte, wo der Geist seiner Tochter mit den weißen
Vögeln in die Lüfte flog. »Das Gold war ein Geschenk von Dilan«, berichtete
Haragg. »Die Schätze wurden in einem voll gelaufenen Boot an den Strand
geschwemmt, ganz in der Nähe der Stelle, wo der Meerestempel steht — folglich
kamen unsere Ahnen zu dem Schluss, dass das Gold ein Geschenk des einen Gottes
an den anderen war, und vielleicht hatten sie ja Recht.«
    »Vielleicht?«
    »Nun ja, es kommt durchaus vor, dass Boote voll laufen«,
erklärte Haragg, »und dass Händler aus dem Land jenseits des Meeres uns Gold
bringen.«
    Saban runzelte die Stirn angesichts der Skepsis in der
Stimme des riesigen Mannes. »Willst du damit behaupten .«, begann er.
    Grimmig fuhr Haragg zu ihm herum. »Ich will überhaupt
nichts behaupten. Die Götter sprechen wirklich zu uns, und vielleicht haben die
Götter uns das Gold ja auch gesandt. Vielleicht hat Dilan das Boot voll laufen
lassen und es an diesen Strand unter den Fels gesteuert — aber warum?« Haragg
blickte finster aufs Meer hinaus. »Wir haben uns nie gründlich gefragt, warum;
wir haben einfach ein Mädchen in Gold gehüllt und es getötet, und zwar Jahr für
Jahr für Jahr!« Er war jetzt außer sich, spuckte zornig auf den Tempelstein, wo
noch immer das Opferblut, verklebt mit braunen Haaren, zu sehen war. »Und es
sind stets die Priester, die Opfer fordern«, klagte Haragg diese an. »Von jedem
Tier, das getötet wird, bekommen sie die Leber und die Nieren und das Hirn und
das Fleisch eines Beines. Wenn die Sonnenbraut eine Göttin ist, wird sie mit
Schätzen überhäuft, aber wer behält die Schätze, wenn sie tot ist? Die
Priester! Bringt Opfer, sagen die Priester, sonst wird es eine schlechte Ernte
geben, und wenn die Ernte dann tatsächlich schlecht ist, sagen sie einfach,
ihr habt nicht genug Opfer dargebracht, und fordern deshalb noch mehr!«
Abermals spuckte er aus.
    »Willst du damit sagen, dass es keine Priester mehr geben
sollte?«, erkundigte Saban sich zögernd.
    Haragg schüttelte den Kopf. »Nein. Wir brauchen Priester.
Wir brauchen Menschen, die die Botschaften der Götter für uns interpretieren
können, aber warum wählen wir unsere Priester immer unter den Schwächsten
aus?« Er warf Saban einen gequälten Blick zu. »Genau wie es in eurem Stamm
üblich ist, wählen auch wir unsere Priester unter denjenigen aus, die die
Prüfungen beim Eintritt in das Mannesalter nicht bestanden haben. Auch ich habe
bei den Prüfungen versagt! Ich kann nicht schwimmen, und ich wäre damals
beinahe ertrunken; aber mein Bruder rettete mich, und indem er das tat, fiel
er durch seine eigene Prüfung, aber Scathel wollte ohnehin Priester werden.«
Er tat die Geschichte mit einem Achselzucken ab. »Deshalb sind die meisten
Priester schwache Männer - aber wie alle Schwächlinge, die eine gewisse Macht
erlangen, werden sie zu Tyrannen. Und weil so viele Priester Dummköpfe sind,
denken sie nicht nach, sondern wiederholen einfach die Dinge, die sie einmal
gelernt haben. Die Dinge ändern sich, aber

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