Cromwell, Bernard
Priester ändern sich nie. Und jetzt
ändern sich viele Dinge sehr rasch.«
»Tun sie das?« Saban vermochte nicht, ihm zu folgen.
Haragg warf ihm einen mitleidsvollen Blick zu. »Unser
Gold ist gestohlen worden! Dein Vater wurde getötet! Alles das sind Zeichen
von den Göttern, Saban. Die Schwierigkeit besteht darin, zu erkennen, was diese
Zeichen bedeuten.«
»Und du ahnst etwas?«
Haragg schüttelte den Kopf. »Nein, aber dein Bruder
Camaban weiß es.«
Einen Moment lang rebellierte Sabans Innerstes gegen
dieses Schicksal, das ihn in einen fremden Tempel über einem unversöhnlichen
Meer geführt hatte. Camaban und Haragg, dachte er, haben mich in diesen
Wahnsinn verstrickt, und er verspürte einen gewaltigen Groll auf das Schicksal,
das ihn Ratharryn und Derrewyns Armen entrissen hatte. »Ich will einfach nur
ein Krieger sein!«, protestierte er.
»Was du willst, zählt nicht«, fertigte ihn Haragg brüsk
ab, »aber was dein Bruder will, ist alles, und er hat dir das Leben gerettet.
Du wärst jetzt tot, von Lengars Speer durchbohrt, wenn Camaban nicht etwas
anderes veranlasst hätte. Du hast ihm dein Leben zu verdanken, Saban, und den
Rest davon musst du ihm zu Diensten stehen. Du bist auserwählt worden.«
Um die Welt neu zu erschaffen, dachte Saban, und er war
drauf und dran, laut zu lachen. Außer dass er in Camabans Traum gefangen war
und dass von ihm erwartet wurde, diese Vision zu verwirklichen — ob er wollte
oder nicht.
Camaban kehrte zu Beginn des Frühlings nach Sarmennyn
zurück. Er hatte den Winter im Wald in einem uralten Holztempel verbracht. Der
Tempel war mit Gestrüpp und Unkraut überwuchert und im Zerfall begriffen;
aber Camaban hatte das Gestrüpp entfernt und beobachtet, wie die Sonne hinter
den Kreis von Tempelpfeilern zurückwich und sich ihrem tiefsten Stand näherte,
um dann mit jedem Tag wieder ein Stückchen höher am Himmel emporzusteigen. Die
ganze Zeit über hatte er mit Slaol gesprochen - hatte sogar mit dem Gott gestritten,
denn bisweilen ärgerte Camaban sich über die Bürde, die ihm auferlegt worden
war. Er allein verstand die Götter und die Welt, und er wusste, nur er allein
konnte die Welt wieder zu ihren Anfängen führen; aber manchmal, wenn er seine
Ideen testete, stöhnte er vor Qual und schaukelte gepeinigt vor und zurück.
Einmal war ein Jägerverband von Fremdländischen auf der Suche nach Sklaven durch
den Wald gestrichen; als die Männer ihn hörten und sahen, waren sie sofort vor
ihm geflüchtet, weil sie ihn als heiligen Mann empfanden. Er war auch ein sehr
hungriger Mann, als er schließlich in Sarmennyn eintraf: hungrig, mürrisch und
ausgemergelt, wirkte er wie eine schäbige Krähe, die sich inmitten eines
Schwarms von eleganten Schwänen niederlässt. An einem Festtag erreichte er die
Siedlung des Stammesführers. Das Haupttor der Siedlung war mit weißen Girlanden
aus Bärenklau und Birnenblüten geschmückt, denn an diesem Tag sollte die neue
Sonnenbraut von ihrem Volk begrüßt werden.
Kereval, der Clanführer von Saramennyn, empfing Camaban
herzlich. Auf den ersten Blick schien Kereval kein sonderlich geeigneter
Clanführer für ein solch kriegerisches Volk zu sein, denn er war weder der
größte noch der stärkste Mann des Stammes. Jedoch galt er als ein Mann, der
Klugheit besaß, und nach dem Verlust ihrer Schätze war es diese Eigenschaft,
die die Leute von Sarmennyn in ihrem neuen Anführer gesucht hatten. Es handelte
sich um einen kleinen, drahtigen Mann mit dunklen Augen, die aus dem Gewirr von
grauen Tätowierungen auf seinen Wangen hervorspähten; sein schwarzes Haar
war mit Fischgräten gespickt, sein wollener Umhang blau gefärbt. Sein Volk
verlangte nur eines von ihm, nämlich dass er die Schätze zurückholte, und das
versuchte Kereval durch sein Abkommen mit Lengar zu erreichen. Sie hatten sich
auf einen Handel geeinigt: Ein kleiner Verband von Saramennyns gefürchteten
Kriegern würde Lengar dabei helfen, Cathallo zu besiegen, und ein Tempel aus
Sarmennyn würde nach Ratharryn transportiert werden; als Gegenleistung dafür
sollten die Goldrauten nach Sarmennyn zurückgeschickt werden.
»Es gibt einige, die denken, dass man deinem Bruder nicht
trauen kann«, erklärte Kereval Camaban. Die beiden Männer hockten sich vor
Kerevals Hütte, wo Camaban gierig eine Schale mit Fischsuppe und ein hartes
Stück Fladenbrot verschlang.
»Natürlich denken sie das«, gab Camaban zurück, obwohl es
ihn in Wahrheit nicht im Geringsten
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