Cromwell, Bernard
Dröhnen der
Trommeln - abrupt verhallten. Alles um ihn herum schien sich in diesem
Augenblick aufzulösen, so als ob nichts mehr existierte außer ihm selbst und
dem weiß gekleideten Mädchen, das auf einer hölzernen Plattform am anderen
Ende der Halle thronte.
Zuerst, als er sie durch die dichten Rauchschwaden
hindurch erblickte, dachte Saban, dass sie unmöglich ein Mensch sein konnte,
denn sie war so makellos, so unglaublich rein und überirdisch. Ihr Gewand war
weiß und mit glänzenden Goldrauten behängt, während ihr Haar in einer
schimmernden goldenen Kaskade herabwallte, um das blasseste und schönste
Gesicht zu umrahmen, das er jemals gesehen hatte. Er fühlte eine Aufwallung
von Schuldbewusstsein wegen Derrewyn, eine Aufwallung, die ihn jedoch sofort
wieder verließ, als er das Mädchen ansah. Er starrte und starrte, gebannt und
vollkommen reglos, als wäre er von einem Pfeil getroffen worden wie von
demjenigen, der durch die Abenddämmerung gesaust war, um seinen Vater zu
töten. Er rührte sein Essen nicht an, lehnte den Alkohol ab, den Camaban ihm
anbot, starrte nur unentwegt durch den Rauch auf die ätherische Schönheit, die
über dem lärmigen Trinkgelage zu schweben schien. Sie aß nicht, sie trank
nicht, sie sprach nicht, sie saß einfach nur da, schweigend und erhaben wie
eine Göttin.
Camabans schroffe Stimme riss Saban unsanft aus seiner
träumerischen Betrachtung des Mädchens. »Sie heißt Aurenna, und sie ist eine
Göttin ... Ereks Braut! Dieses Fest wird ihr zu Ehren gegeben, um sie in der
Siedlung willkommen zu heißen. Ist sie nicht schön? Wenn du mit ihr sprichst,
musst du vor ihr niederknien. Aber wenn du sie berührst, Bruder, wirst du
sterben. Wenn du es auch nur wagst, mit dem Gedanken zu spielen, sie zu
berühren, gehst du zu Grunde.«
»Sie ist die Sonnenbraut?«, fragte Saban.
»Und wird in weniger als drei Monden den Feuertod
erleiden«, erklärte Camaban. »Das ist die Art, Sonnenbräute zu vermählen. Sie
springen in ein Feuer am Rand des Meeres. Zischendes Fett und splitternde
Knochen.
Flammen und Schreie. Sie stirbt. Das ist ihre Bestimmung.
Das ist ihr Daseinszweck, der Grund, warum sie lebt - um verbrannt zu werden.
Also glotz sie nicht an, als ob du ein blödes Kalb wärst, denn du kannst sie
nicht haben. Such dir ein Sklavenmädchen zum Bespringen - denn wenn du Aurenna
anfasst, kommst du um.«
Aber Saban konnte den Blick nicht von der Sonnenbraut
lassen. Einmal dieses goldhaarige Mädchen zu berühren, dachte er verwegen,
wäre es wert, dafür zu sterben. Wahrscheinlich war sie vierzehn oder fünfzehn
Sommer alt, also im gleichen Alter wie er - eine Braut, wie sie vollkommener
nicht sein könnte, und plötzlich wurde Saban von einem schmerzlichen
Verlustgefühl überwältigt. Zuerst Derrewyn und jetzt dieses Mädchen. Hatte
Miyac, Haraggs Tochter, auch den Vorsitz über ein solches Fest geführt? War sie
auch so bezaubernd schön gewesen? Und hatten einige junge Männer sie ebenfalls
voller Sehnsucht angestarrt, bevor sie in den Flammen am Ufer des Meeres
gestorben war?
Dann wurden seine Gedanken jäh unterbrochen, als der
Ledervorhang vor dem breiten Eingang heftig zur Seite geschlagen wurde. Eine Bö
kalten Windes ließ die beiden großen Feuer flackern, als ein hoch gewachsener,
ausgemergelter Mann mit einer wirren Haarmähne in die Hütte marschierte. »Wo
ist er?«, rief er, während Regenwasser von seinem Umhang aus Wolfsfell auf den
Boden tropfte.
Haragg erhob sich von seinem Platz, in der Annahme, dass
der Schreihals nach ihm suchte; aber der Neuankömmling zischte Haragg nur an
und fuhr stattdessen zu Kereval herum. »Wo ist er?«, brüllte er erneut. Drei
andere Männer waren ihm in die Hütte gefolgt - alles Priester, denn sie hatten
Knochen in ihre Bärte geflochten.
»Wo ist wer?«, fragte Kereval verwirrt.
»Lengars Bruder!«
»Beide Brüder von Lengar sind hier«, berichtete Kereval
und wies auf Camaban und Saban, »und sie sind beide meine Gäste.«
»Gäste!«, schnaubte der wilde Mann verächtlich, dann
breitete er die Arme aus und wandte sich um, um die Feiernden anzustarren die
bei seinem Eintreten verstummt waren. »Es sollte keine Gäste in Sarmennyn geben«,
schrie er, »und auch keine Feste, keine Musik, keine Tänze, keine Freude, bis
wir die Schätze zurückbekommen haben! Und dieses Ungeziefer da« - er fuhr
herum und zeigte mit einem knochigen Finger auf Saban und Camaban - »diese
beiden Stücke Dreck könnten uns dabei
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